In diesem Kapitel wollen wir untersuchen, unter welchen Voraussetzungen es erlaubt ist, Reihen umzuordnen, ohne dass sich deren Konvergenzverhalten beziehungsweise deren Grenzwert ändert. Dabei werden wir uns schrittweise, beginnend bei endlichen Summen vorarbeiten. Wir untersuchen zunächst immer konkrete Beispiele, um unsere Überlegungen möglichst verständlich zu machen. Wie im Kapitel zuvor bereits erwähnt, spielt letztendlich die absolute Konvergenz die entscheidende Rolle.
Umordnung endlicher Summen
Bei endlichen Summen ist es kein Problem, die Summanden umzuordnen. Der Grund hierfür ist, dass sich das „Kommutativgesetz der Addition “ beliebig oft hintereinander anwenden lässt. Betrachten wir als konkretes Beispiel die Summe
Ordnen wir die Summe nun so um, dass auf ein positives immer zwei negative Summenglieder folgen, ergibt sich
Etwas formaler können wir dies folgendermaßen formulieren: Ist die Bijektion mit
so gilt
Damit können wir für auf beliebige Summen und beliebige Bijektionen ein verallgemeinertes Kommutativgesetz formulieren:
Das Problem bei Reihen
Bevor wir uns der Problematik bei Reihen zuwenden, wollen wir den Begriff der Umordnung einer Reihe zunächst sauber definieren:
Beispiel
Umordnung einer Reihe
Betrachten wir die harmonische Reihe . Dann entspricht die Reihe
der Umordnung mit der durch
ü
definierten Permutation.
Es wäre natürlich gut, wenn wir das verallgemeinerte Kommutativgesetz von oben auf unendliche Reihen verallgemeinern könnten. Betrachten wir als Beispiel die alternierende harmonische Reihe
Mit weiteren Hilfsmitteln kann man zeigen, dass sie gegen konvergiert.
Konvergiert jede Umordnung dieser Reihe gegen denselben Grenzwert? Wir wählen dieselbe Umordnung wie oben: Auf jeden positiven Summanden der Reihe lassen wir zwei negative folgen:
Im Kapitel zu den Rechenregeln für Reihen hatten wir gezeigt, dass sich das Konvergenzverhalten und der Grenzwert einer konvergenten Reihe nicht ändern, wenn wir Klammern setzen. Daher konvergiert die Reihe, in der wir immer drei Summanden durch Klammern zusammenfassen, gegen denselben Grenzwert:
Diese lässt sich wie folgt umformen:
Wir sehen also, dass die umgeordnete Reihe nicht gegen , sondern gegen konvergiert.
Umordnung von Reihen mit nichtnegativen Gliedern
Bei den Beispielen von oben bestand bei den Umordnungen das Problem, dass die Reihe alternierend war. Daher konnten bei den Umordnungen so viele positive Summanden hintereinander „gepackt“ werden, dass die umgeordnete Reihe gegen einen anderen Grenzwert konvergiert bzw. sogar divergiert. Dieses Problem sollte bei Reihen mit ausschließlich positiven oder ausschließlich negativen Gliedern nicht auftreten.
Umordnung absolut konvergenter Reihen
Die Frage ist nun, ob wir die Voraussetzungen für unseren Umordnungssatz noch verallgemeinern können. Deshalb gibt es auch konvergente Reihen mit negativen Gliedern (beispielsweise alternierende), die beliebig umgeordnet werden können und dabei immer gegen denselben Grenzwert konvergieren? Die Antwort ist ja! Betrachten wir hierzu das Beispiel der alternierenden Reihe . Die entscheidende Eigenschaft dieser Reihe ist, dass sie absolut konvergiert, da konvergiert. Nach dem Umordnungssatz für Reihen mit nichtnegativen Gliedern aus dem vorherigen Abschnitt konvergiert damit auch jede Umordnung gegen denselben Grenzwert. Da jede absolut konvergente Reihe konvergiert, konvergiert auch jede Umordnung der ursprünglichen Reihe
Wir müssen nun nur noch zeigen, dass jede dieser Umordnungen gegen denselben Grenzwert wie die ursprüngliche Reihe konvergiert. Dazu benutzen wir das charakteristische Kriterium für absolute Konvergenz. Dieses besagt, dass eine Reihe genau dann absolut konvergiert, wenn die Reihen ihrer nichtnegativen Glieder und ihrer nichtpositiven Glieder konvergieren. Da jede Umordnung absolut konvergiert, konvergieren auch die Reihen und . Weiter gilt
und
Damit folgt aber nun
Also konvergiert die umgeordnete Reihe tatsächlich gegen denselben Grenzwert.
Umordnung konvergenter, jedoch nicht absolut konvergenter Reihen
Nun bleibt lediglich noch die Frage offen, ob umgekehrt eine unbedingt konvergente Reihe, d.h. eine Reihe, von der jede Umordnung gegen denselben Grenzwert konvergiert, auch absolut konvergent ist. Wir überlegen uns dazu die Kontraposition dieser Aussage:
Zunächst stellen wir fest:
Diesen Satz wollen wir nun verwenden, um zu zeigen, dass es zu jeder konvergenten, jedoch nicht absolut konvergenten Reihe eine Umordnung dieser Reihe gibt, die divergiert. Dies wollen wir zunächst an unserem „Lieblingsbeispiel", der alternierenden harmonischen Reihe demonstrieren. Wir konstruieren eine Umordnung , die gegen divergiert. Dazu summieren wir solange positive Summanden auf, bis wir überschreiten. Danach summieren wir einen der negativen Summanden, und anschlieBend wieder genügend positive Summanden, um zu überschreiten. Dieses Spiel setzen wir nun beliebig fort, und erhalten so eine Umordnung, die gegen divergiert. Auf Grund des obigen Satzes ist es auch möglich, die Umordnung beliebig „groß" zu machen, da wir ja wissen, dass die Reihe der positiven Glieder (gegen unendlich) divergiert.
Konkret lautet unsere Umordnung wie folgt:
Auf diese Weise erhalten wir zu jedem ein mit . Die umgeordnete Reihe divergiert daher (gegen unendlich).
Dieses Konzept können wir allgemein auf bedingt divergente Reihen übertragen:
Nehmen wir die beiden vorangegangenen Sätze zusammen erhalten wie die allgemeinste Form des Umordnungssatzes:
Umordnung konvergenter Reihen gegen beliebigen Grenzwert
Zum Abschluss zeigen wir noch, dass man eine konvergente, jedoch nicht absolut konvergente Reihe, so umordnen kann, dass sie gegen einen beliebigen Grenzwert konvergiert. Als Beispiel ordnen wir unser Lieblingsbeispiel, die alternierende harmonische Reihe so um, dass sie gegen 42 konvergiert.
Wir benutzen, dass die Reihe der positiven Glieder (gegen unendlich) divergiert.
Wir starten und wählen zunächst das kleinst mögliche so, dass ist. Für unsere Umordnung bedeutet dies für Dann ist
Nun setzen wir , d.h. , der erste negative Summand der Reihe . Dann gilt .
Anschließend wählen wir nun das kleinste mit , so dass wieder gilt . Setzen wir für , so ist .
Nun setzen wir den zweiten negativen Summanden . Damit gilt erneut .
Führen wir dies nun sukzessive fort, so erhalten wir die Umordnung der alternierenden harmonischen Reihe mit
Die so entstandene Umordnung konvergiert gegen 42 , denn es gilt für :
Für gilt und daher folgt mit dem Sandwichsatz: