Epsilon-Beweise für Grenzwerte können sehr aufwendig werden. In diesem Kapitel behandeln wir einige Sätze, die die Bestimmung von Grenzwerten vereinfachen.
Die Grenzwertsätze
Die Grenzwertsätze für konvergente Folgen lauten:
Monotonieregel: Grenzwerte abschätzen
Außerdem gilt die Monotonieregel, die wir zum Abschätzen der Grenzwerte verwenden können:
Beispiel: Grenzwert einer Folge berechnen
Betrachten wir die Folge
Ein Beweis mit -Umgebung zur Bestimmung der Konvergenz wäre sehr kompliziert. Zum Glück erkennen wir in der Folgendefinition viele Folgen, deren Konvergenzverhalten wir bereits kennen. So ist zum Beispiel 1. Durch schrittweise Anwendung der Grenzwertsätze können wir den Grenzwert bestimmen:
So können wir zeigen, dass konvergiert und den Grenzwert 4 besitzt. Diese Herleitung hat aber einen Haken: Wir benutzen die Grenzwertsätze, bevor wir die Konvergenz der einzelnen Folgen gezeigt haben. Dass diese Folgen konvergieren, ergibt sich erst im Argumentationsverlauf, nachdem wir die Grenzwertsätze schon verwendet haben. Deswegen ist diese Herleitung kein gültiger Beweis. Ein gültiger Beweis ist zum Beispiel folgender:
Wir beginnen mit der Konvergenz der Folgen, deren Konvergenzverhalten wir kennen. Durch schrittweise Anwendung der Grenzwertsätze in umgekehrter Reihenfolge leiten wir dann die Konvergenz der betrachteten Folge und ihren Grenzwert her. Beim Zeichen handelt es sich um die Konjunktion , die man als „und“ lesen kann.
Den Beweis so aufzuschreiben ist aber aufwendig und macht keinen Spaß. Meist zeigen wir diese Aussagen wie die Beweisskizze oben. Wir wenden einfach die Grenzwertsätze an, obwohl wir nicht wissen, ob die Folgen konvergieren. Wir müssen aber im Nachhinein anmerken, dass wir die Grenzwertsätze anwenden durften. Das gilt, weil am Ende alles konvergiert. Weil bei den letzten Schritten alles funktioniert, durften wir die Schritte davor machen. Wenn wir den Beweis also durch direkte Anwendung der Grenzwertsätze zeigen wollen, müssen wir noch erklären, dass wir diese Sätze benutzen durften.
Beweise der Grenzwertsätze
Die Betragsregel
Beweisweg: Grenzwertregel mit Absolutbetrag
Aus lim folgt, dass beliebig klein wird. Wir müssen zeigen, dass auch beliebig klein wird. Im Kapitel zum Betrag haben wir folgende Ungleichung bewiesen
Damit ist
Wenn kleiner als ist, dann ist es somit auch . Dies können wir für den Beweis der Konvergenz nutzen. Sei . Wir müssen nun ein finden, sodass für alle ist. Wegen wissen wir, dass es ein gibt, sodass für alle gilt.
Wie wir gesehen haben, folgt aus die Ungleichung . Damit können wir im Beweis setzen. Da nämlich für alle ist, folgt daraus auch für alle
Beweis: Grenzwertregel mit Absolutbetrag
Sei beliebig. Weil gegen konvergiert, gibt es ein mit für alle . Sei nun beliebig. Wegen der umgekehrten Dreiecksungleichung || folgt
Die Summenregel
Beweisweg: Grenzwertsatz für Summen
Wir müssen zeigen, dass der Betrag beliebigklein wird. Wir können verwenden, dass die Beträge und beliebig klein werden. Deswegen sollten wir eine Abschätzung von nach oben finden, bei der die Beträge oder vorkommen. Hier gibt es einen Trick: Wir schreiben den Term geschickt um und verwenden dann die Dreiecksungleichung
Weil und beliebig klein werden, sollte auch ihre Summe beliebig klein werden. Somit sollte unsere Abschätzung ausreichen. Jedoch müssen wir noch einen Epsilon-Beweis für unsere Vermutung formulieren. Auch hier können wir einen Trick verwenden: In der Summe haben wir zwei Beträge und jeden schätzen wir gegen ab. Wenn nämlich und ist, dann ist
Wir wissen, dass es ein mit für alle gibt. Analog existiert ein mit für alle . Für unseren Beweis brauchen wir gleichzeitig und . Also sollte gleichzeitig und gelten. Unser Ziel ist es, ein zu finden, sodass aus sowohl als auch folgt. Eine Möglichkeit ist, zu wählen. Aus folgt nämlich und .
Beweis: Grenzwertsatz für Summen
Sei beliebig. Es gibt ein mit für alle , weil ist. Außerdem gibt es wegen ein mit für alle . Wir wählen . Sei beliebig. Es ist
Die Faktorregel
Beweis: Faktorregel für Grenzwerte
Um zu beweisen, müssen wir für fast alle zeigen. Formen wir diese Ungleichung um:
Wir können nicht pauschal durch teilen, weil auch Null sein könnte. Jedoch ist der Fall einfach zu zeigen. Hier müssen wir beweisen, dass ist. Da ist, folgt , was zu zeigen war. Schauen wir uns den Fall an:
Weil gegen 0 konvergiert, gibt es ein , sodass für alle ist.
Die Produktregel
Beweis: Produktregel für Grenzwerte
Sei beliebig. Wir müssen beweisen, dass für alle gilt, wobei wir in Abhängigkeit von geschickt wählen müssen. Dabei können wir verwenden, dass und beliebig klein werden, weil die Folgen gegen und gegen konvergieren. Um dies nutzen zu können, müssen wir geschickt umformen und so nach oben abschätzen, dass wir die Beträge und erhalten. Hierzu verwenden wir einen Trick, der für diese Art von Beweis typisch ist. Wir addieren den Term , welcher gleich Null ist:
Wenn wir also für alle zeigen können, dass beide Summanden kleiner als sind, dann sind wir fertig.
Abschätzung des zweiten Summanden
Beim zweiten Summanden ist das leicht: Die Folge konvergiert gegen und nach der Faktorregel mit gilt . Damit gilt nach der Summenregel, d.h. es gibt ein so, dass für alle gilt
Abschätzung des ersten Summanden
Auch beim ersten Summanden wäre es schön, wenn wir die Faktorregel anwenden können. Das Problem ist nur, dass von abhängt und folglich kein Kandidat für das aus der Faktorregel ist.
Wir haben in einem vorherigen Kapitel bewiesen, dass konvergente Folgen beschränkt sind. Diesen Satz können wir hier auf die Folge anwenden: Sei so dass für alle .
Dann gilt für alle , dass und genauso wie für den zweiten Summanden liefert uns die Faktorregel mit (beachte, dass im Gegensatz zu nicht von abhängt) ein mit für alle . Also gilt für alle die folgende Ungleichung: .
Zusammenfassung
Wir brauchen nur noch ein passend gewähltes . Für alle muss die Bedingung und erfüllt sein, damit beide Abschätzungen gültig sind. Daher wählen wir . Dieses hängt nur von , da und nur von abhängen.
Für alle gilt nun
Die Quotientenregel
Beweisweg: Quotientenregel für Grenzwerte
Es genügt zu zeigen, dass ist, denn aus der Produktregel folgt
Für den Beweis müssen wir zeigen, dass beliebig klein wird. Dabei können wir verwenden, dass beliebig klein wird, weil gegen konvergiert. Dazu formen wir geschickt um:
Nun können wir kontrollieren, d.h. beliebig klein machen. Das im Nenner stört uns nicht weiter, da es konstant ist. Wir müssen uns also nur noch um im Nenner kümmern. Da wir beliebig klein machen können, reicht es, wenn wir nach oben durch eine Konstante abschätzen. Dazu müssen wir nach unten abschätzen.
Um nach unten abzuschätzen, verwenden wir nun die Voraussetzung, dass ist. Daher gibt es ein , so dass ab diesem Index alle Folgenglieder von die Ungleichung erfüllen. Also gilt für alle . Für den gesamten Ausdruck erhalten wir damit
Diesen Ausdruck bekommen wir beliebig klein, da wir beliebig klein kriegen, und der Vorfaktor konstant ist. Hierzu wählen wir zu einem beliebigem den Index so groß, dass für alle gilt
Dann erhalten wir insgesamt für alle :
Diese Beweisskizze müssen wir nun in einen formalen Beweis gießen, um lim zu zeigen.
Beweis: Quotientenregel für Grenzwerte
Sei beliebig. Wegen gibt es ein , so dass für alle ist. Außerdem gibt es ein mit für alle . Dann gilt für alle :
Es gilt daher . Mit der Produktregel folgt nun
Die Monotonieregel
Beweisweg: Monotonieregel für Grenzwerte
Diese Regel zeigen wir durch einen Widerspruchsbeweis. Wir nehmen an, dass unter den Voraussetzungen des Satzes wäre, und leiten daraus eine widersprüchliche Aussage her.
Beweis: Monotonieregel für Grenzwerte
Angenommen . Wegen und gibt es zu Indizes mit für alle und für alle . Daraus folgt für alle
Also für alle Dies ist ein Widerspruch zu für fast alle Daher muss gelten.