Folgen - Grenzwerte (Konvergenz)

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Theorie:

Definition von Folgen

Die Folge ist einer der wichtigsten Begriffe in der Analysis. Anhand von Folgen werden wir nämlich später den Begriff des Grenzwerts definieren. Damit wiederum können wir alle wichtigen Konzepte der Analysis wie die Ableitung und die Stetigkeit einführen.

Der Begriff der Folge im Alltag

Der Begriff der „Folge“ ist uns bereits aus dem alltäglichen Leben bekannt.

Es gibt eine genau definierte Anordnung der Folgenglieder, die beachtet werden muss. Nach dem Aufstehen sollte man zuerst Kaffee kochen, bevor man diesen trinkt (die umgekehrte Reihenfolge wäre suboptimal ).

Außerdem können in einer Folge ein oder mehrere Objekte mehrmals als Folgenglieder auftreten. In der Folge der Fußballweltmeister kommen einige Nationen mehr als einmal vor, weil sie die Fußballweltmeisterschaft mehr als einmal gewonnen haben. Dies unterscheidet eine Folge insbesondere von einer Menge. Für eine Menge kann nämlich nicht sinnvoll gefragt werden, wie oft ein Element in ihr vorkommt. Man kann nur fragen, ob ein Objekt Element einer Menge ist oder nicht.

Des Weiteren kannst du die einzelnen Folgenglieder einer Folge durchnummerieren. Du kannst sagen, wer der erste Präsident der USA, der zweite und so weiter war. Jedem Element einer Folge kann also eine oder mehrere Zahlen zugeordnet werden, die angeben, wo dieses Objekt in der Folge vorkommt.

Viele der im Alltag bekannten Folgen sind endlich, es sind aber auch unendliche Folgen vorstellbar. Würde man bis in alle Ewigkeit Fußballweltmeisterschaften austragen, wäre die Folge der Fußballweltmeister unendlich lang.

Formale Definition

Kommen wir nun zu dem Begriff der Folge in der Mathematik. Der große Unterschied zum Folgenbegriff im Alltag ist der, dass in der Mathematik eine Folge immer unendlich lang ist. In der Mathematik gibt es auch endliche Folgen, welche aber Tupel genannt werden. Diese sind endliche Abfolgen von Objekten und entsprechen den endlichen Folgen aus dem Alltag.

Eine Folge ist also eine unendliche Abfolge von Objekten. Dabei steht für das Objekt an der ersten Stelle, für das Objekt an der zweiten Stelle und so weiter. Für Folgen gibt es die abkürzende Schreibweise . Damit lautet die (intuitive) Definition einer Folge:

 
Definition

Eine Folge ist eine unendliche Abfolge von Objekten:

Diese Definition ist intuitiv, weil wir den Begriff, „unendliche Abfolge " nicht exakt definiert haben. Dies muss für eine exakte Definition nachgeholt werden.

Beispiele:

Die Folge der natürlichen Zahlen ist:

Die Folge der Zweierpotenzen ist:

Wichtige Begriffe

Die einzelnen Elemente einer Folge werden Folgenglieder genannt. Dabei werden die Folgenglieder mit einer natürlichen Zahl durchnummeriert. Diese natürliche Zahl nennt man Index. So ist beispielsweise das Folgenglied zum Index 4 .

Für eine Folge mit Elementen aus der Menge ist ein Folgenglied ein konkretes Element aus der Menge . Nehmen wir die Folge . Das Folgenglied ist das identische Objekt wie oder , nämlich die Zahl

Meint man die gesamte Folge, schreibt man Zwei Kurzschreibweisen für sind und . Häufig wird der Buchstabe als Indexvariable genutzt. Jeder Buchstabe kann aber als Indexvariable verwendet werden, solange er im jeweiligen Kontext keine andere Bedeutung hat. So sind auch die Schreibweisen oder möglich.

In der eindimensionalen Analysis betrachten wir vor allem Folgen mit reellen Zahlen als Folgenglieder. Diese speziellen Folgen nennt man reelle Folgen. In folgender Übersicht und in folgender Tabelle sind alle wesentlichen Begriffe zu den Bestandteilen von Folgen zusammengefasst:

Begriff Schreibweise Definition
Folge oder kurz Eine Folge ist eine unendliche Abfolge von Objekten.
Folgenglied Ein Folgenglied ist ein konkretes Objekt, das in der Folge an einer bestimmten Stelle vorkommt.
Index Der Index ist eine natürliche Zahl, die die Folgenglieder durchnummeriert.
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Zum Vergleich: Die Funktion mit dem Definitionsbereich der positiven reellen Zahlen. [Quelle]

Definition als Funktion

Definition

Oben haben wir die Folge intuitiv als unendliche Abfolge von Objekten definiert. Mit Hilfe des Funktionenbegriffs kann diese Definition konkretisiert und vor allem mathematisch exakt formuliert werden. Hierzu nehmen wir die Menge der natürlichen Zahlen und ordnen jeder natürlichen Zahl ein beliebiges Objekt zu (wobei diese Objekte aus einer Menge stammen, in der wir eine Folge bilden möchten). Damit erhalten wir eine unendliche und durchnummerierte Abfolge beliebiger Objekte, wie die folgende Skizze verdeutlicht:

Eine solche Zuordnung ist nichts anderes als eine Funktion , also eine Abbildung von den natürlichen Zahlen in eine Menge , die alle möglichen Folgenglieder enthält. So haben wir bei der Folge der deutschen Bundeskanzler die Zuordnung:

Die „unendliche Abfolge“ von Folgengliedern können wir somit als eine Funktion auffassen, die für jede natürliche Zahl angibt, was das -te Folgenglied sein soll:

 
Definition

Folge
Eine Folge in einer Menge ist eine Abbildung

Wir schreiben anstelle von .

Obige Definition nutzt nur bereits bekannte Konzepte und erfüllt damit die Anforderungen an eine mathematisch exakte Definition. Deswegen wird sie in den meisten Lehrbüchern als Definition einer Folge verwendet.

Explizite und rekursive Bildungsgesetze

Zur Definition einer Folge muss man eine Zuordnungsvorschrift angeben, die den einzelnen Indizes die Folgenglieder zuweist. Diese Zuordnungsvorschrift wird Bildungsgesetz der Folge (manchmal auch Bildungsvorschrift) genannt. Diese Zuordnungsvorschrift kann im Allgemeinen sehr kompliziert sein. Da eine Folge stets unendlich viele Glieder besitzt, kann man die Zuordnungsvorschrift nicht durch Aufzählung aller Folgenglieder definieren. Stattdessen gibt es andere Möglichkeiten wie explizite und rekursive Bildungsgesetze.

Explizite Bildungsgesetze

Bei einer expliziten Bildungsvorschrift wird ein vom Index der Folge abhängiger Funktionsterm angegeben, mit der man die einzelnen Folgenglieder ausrechnen kann. Ein solches Bildungsgesetz wird meist folgendermaßen aufgeschrieben: Für alle wird definiert

Ein Beispiel ist die Vorschrift für alle für die Folge aller Quadratzahlen. Man kann diese Folge so aufschreiben:

Eine explizite Bildungsvorschrift der Folge zeichnet sich dadurch aus, dass die einzelnen Folgenglieder berechnet werden können, ohne andere Folgenglieder kennen zu müssen. Wenn man also ein bestimmtes Folgenglied berechnen möchte, so muss man nur den gewünschten Index in die Formel der expliziten Bildungsvorschrift einsetzen und den Wert dieser Formel berechnen.

Rekursive Bildungsgesetze

Eine rekursive Bildungsvorschrift zeichnet sich dadurch aus, dass man zur Berechnung einzelner Folgenglieder die Vorgänger dieser Folgenglieder kennen muss. Dies erkennt man daran, dass in der Funktion zur Berechnung eines Folgenglieds die vorhergehenden Folgenglieder mit auftauchen. Allgemein kann eine reelle Folge folgendermaßen rekursiv definiert werden:

für ein

irgendein Term mit für alle

 

Da man zur Berechnung einzelner Folgenglieder bereits die Vorgänger kennen muss, muss bei der rekursiven Definition einer Folge das erste Folgenglied explizit benannt werden. So ist ein Beispiel für ein rekursives Bildungsgesetz:

ü

Die erste Formel definiert das erste Folgenglied explizit und wird Rekursionsanfang genannt. Durch die zweite Formel, welche man Rekursionsschritt nennt, kann ein neues Folgenglied aus dessen Vorgänger berechnet werden. Zunächst gibt man über den Rekursionsanfang das erste Folgenglied vor und berechnet dann durch wiederholte Anwendung des Rekursionsschritts weitere Folgenglieder. Es ist:

Rekursive Bildungsgesetze für Folgen sind meist einfacher zu finden als explizite Bildungsvorschriften. Bei expliziten Bildungsvorschriften sind aber die Eigenschaften einer Folge meist einfacher aus dem Bildungsgesetz ablesbar als bei rekursiv definierten Folgen. Auch ist bei expliziten Bildungsvorschriften die Berechnung der Folgenglieder einfacher. Angenommen, wir möchten das 1000-te Folgenglied berechnen. Bei einem expliziten Bildungsgesetz können wir 1000 direkt in die gegebene Formel einsetzen. Bei einer rekursiven Bildungsvorschrift muss man erst einmal alle unbekannten 998 Vorgänger ausrechnen.

Beispiele und Eigenschaften von Folgen

Eine Folge heißt konstant, wenn alle ihre Folgenglieder gleich sind. So ist folgende Folge konstant:

Mit lautet die allgemeine Formel einer konstanten Folge für alle .

Arithmetische Folgen

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Beispiel für eine arithmetische Folge: für alle [Quelle]

Arithmetische Folgen haben die Eigenschaft, dass die Differenz zweier benachbarter Folgenglieder konstant ist. So ist die Folge der ungeraden natürlichen Zahlen eine arithmetische Folge, da sie eine konstante Differenz von 2 zwischen zwei Folgengliedern besitzt:

Geometrische Folge

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Beispiel einer geometrischen Folge: für alle [Quelle]

Bei der geometrischen Folge ist das Verhältnis zweier aufeinanderfolgender Folgenglieder konstant. Dabei darf kein Folgenglied 0 sein, da man sonst kein Verhältnis zum nächsten Folgenglied bilden könnte. Ein Beispiel hierfür ist die Zahlenfolge mit dem konstanten Verhältnis 2 :

Alternierende Folgen

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Beispiel einer alternierenden Folge: für alle [Quelle]

Bei einer alternierenden Folge ändert sich das Vorzeichen zwischen zwei Folgengliedern. Der Begriff „alternierend“ bedeutet hier „regelmäßiger Vorzeichenwechsel“. So wechselt bei der Folge der Wert immer zwischen 1 und , so dass diese Folge eine alternierende Folge ist. Ein weiteres Beispiel ist die Folge mit .

Folge der Fibonacci-Zahlen

Die Fibonacci-Folge ist eine in der Mathematik besonders populäre Folge, auf die 1202 der Mathematiker Leonardo Fibonacci in seinen Arbeiten stieß (nach ihm wurde auch diese Folge benannt). Er untersuchte das Verhalten einer Kaninchenpopulation, für die er folgende Regeln aufstellte:

  1. Zu Beginn gibt es ein Paar geschlechtsreifer Kaninchen.
  2. Jedes neugeborene Paar wird im zweiten Lebensmonat geschlechtsreif.
  3. Jedes geschlechtsreife Paar wirft pro Monat ein weiteres Paar.
  4. Die Tiere befinden sich in einem abgeschlossenen Lebensraum, so dass kein Tier die Population verlassen und keines von außen hinzukommen kann. Es stirbt auch kein Kaninchen.

 

Mischfolgen

Mischfolgen sind Verallyemeinerungen der alternierenden Folge. Aus zwei Folgen und können wir eine neue Folge bilden, bei der sich die Folgenglieder aus und abwechseln. Wir betrachten also die Folge

Ein Folgenglied mit ungeradem Index, sagen wir fur , stimmt mit dem Folgenglied der Folge überein. Und ein Folgenglied mit geradem Index, sagen wir fur , stimmt mit dem Folgenglied der Folge überein.

Um nun eine allgemeine Formel fur mit zu erhalten, unterscheiden wir, ob ungerade oder gerade ist. Ist ungerade, wählen wir , damit gilt, und erhalten . Entsprechend gilt für gerades die Formel Insgesamt gitt daher

üü

ist dann die Mischfolge aus den Folgen und

Wenn du eine Aufgabe lösen willst, in der eine Folge durch eine Fallunterscheidung, ob ungerade oder gerade ist, definiert ist, ist diese Folge eine Mischfolge zweier Folgen mit einem einfacheren Bildungsgesetz. Prinzipiell ist aber jede beliebige Folge eine Mischfolge, und zwar aus den beiden Folgen und . Zum Beispiel ist die Folge der natürlichen Zahlen die Mischfolge aus der Folge der ungeraden Zahlen und der Folge der geraden Zahlen.

Eigenschaften und wichtige Begriffe

Beschränkte Folge

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Ein Beispiel einer beschränkten Folge mit einigen eingezeichneten Schranken. [Quelle]

Eine Folge nennt man in der Mathematik nach oben beschränkt, wenn es eine Zahl gibt, die die Folgenglieder nie überschreiten. Eine solche reelle Zahl wird obere Schranke der Folge genannt („diese Zahl beschränkt die Folge von oben"). Damit ergibt sich folgende Definition einer nach oben beschränkten Folge:

ist nach oben beschränkt:

Analog ist eine Folge nach unten beschränkt, wenn sie eine untere Schranke besitzt. Es gibt also eine reelle Zahl, die die Folgenglieder nicht unterschreiten. Dementsprechend ist die untere Beschränktheit definiert mit:

ist nach unten beschränkt:

Wenn eine Folge sowohl nach oben als auch nach unten beschränkt ist, nennt man diese Folge beschränkt. Damit haben wir die Definitionen:

 
Definition

obere Schranke: Eine obere Schranke ist eine Zahl, die größer als jedes Folgenglied einer Folge ist. ist eine obere Schranke von , wenn für alle ist.

nach oben beschränkte Folge: Eine Folge ist nach oben beschränkt, wenn sie irgendeine obere Schranke besitzt.

untere Schranke: Eine untere Schranke ist eine Zahl, die kleiner als jedes Folgenglied einer Folge ist. ist eine untere Schranke von , wenn für alle ist.

nach unten beschränkte Folge: Eine Folge ist nach unten beschränkt, wenn sie irgendeine untere Schranke besitzt.

beschränkte Folge: Eine Folge ist beschränkt, wenn sie sowohl nach oben als auch nach unten beschränkt ist.

Monotone Folgen

Folgen werden auch nach ihrem Wachstumsverhalten unterschieden: Werden die Folgenglieder einer Folge immer größer (also jedes nachfolgende Folgenglied ist größer als ), so nennt man diese Folge eine streng monoton wachsende Folge. Analog heißt eine Folge mit immer kleiner werdenden Folgengliedern streng monoton fallende Folge. Wenn man bei diesen Begriffen auch zulassen möchte, dass eine Folge zwischen zwei Folgengliedern konstant sein darf, nennt man die Folge monoton wachsende Folge oder monoton fallende Folge.

 
Hinweis
Merke dir: „streng monoton“ bedeutet so viel, wie „immer größer“oder „immer kleiner“ werdend. Demgegenüber bedeutet „monoton“, ohne das „streng", so viel wie „immer größer werdend oder konstant bleibend" bzw. „immer kleiner werdend oder konstant bleibend".

 Wir erhalten folgende Definition:

 
Definition

monotone Folgen
Für eine reelle Folge definieren wir:

ääää

Definition Grenzwert

In diesem Kapitel wird das Konzept des Grenzwerts (auch Limes genannt) bzw. der Konvergenz einer Folge eingeführt. Da Begriffe wie Stetigkeit, Ableitung und Integral mithilfe des Grenzwertbegriffes definiert werden, ist der Grenzwert sehr wichtig. Er bildet damit das Rückgrat der Analysis.

Intuition hinter der Idee der Konvergenz

Um eine mathematische Definition des Grenzwerts zu finden, sollten wir zunächst eine intuitive Idee für diesen Begriff bekommen. Schauen wir uns dafür die harmonische Folge an. Sie hat die Folgenglieder

Diese nähern sich von oben immer mehr der Null an und man kann intuitiv sagen:

  • Die Folge geht beliebig nah an
  • Je größer ist, desto mehr nähert sich der 0 an.
  • Die Folge strebt gegen 0 .
  • Die Folge erreicht im Unendlichen die

Alle diese Erklärungen beschreiben intuitiv, was wir in der Analysis den Grenzwert einer Folge nennen. In diesem Fall ist 0 der Grenzwert der harmonischen Folge .

Herleitung der Definition des Grenzwerts

Erste Schritte

Um als Mathematiker mit dem Begriff des Grenzwerts arbeiten zu können, brauchen wir eine klare und exakte Definition. Diese können wir finden, indem wir mit einer intuitiven Idee starten und diese so lange konkretisieren, bis wir eine exakte mathematische Definition haben. Die Konkretisierung erfolgt so lange, bis wir eine Formulierung finden, die nur noch bereits definierte Begriffe enthält. Fangen wir mit der folgenden intuitiven Beschreibung des Grenzwerts an:

 
Hinweis

„Eine Folge hat einen Grenzwert , wenn ihre Folgenglieder beliebig nahe an gehen."

Wenn die Folgenglieder nun, „beliebig nahe“ an herangehen, wird der Abstand zum Grenzwert immer kleiner. Nun nehmen wir einen sehr schmalen „Schlauch “ (man kann es sich wie einen Gartenschlauch vorstellen), der den Radius hat. Diesen „fädeln “ wir von rechts über den Grenzwert. Solange der Abstand der Folgenglieder zum Grenzwert kleiner als der Schlauch dick ist, kann man den Schlauch noch weiter nach links schieben. Alle Punkte befinden sich immer noch innerhalb des Schlauches. Sobald ein Punkt aber einen größeren Abstand zum Grenzwert hat, kann er nicht mehr innerhalb des Schlauches liegen. An dieser Stelle müssen wir aufhören, den Schlauch weiter aufzufädeln.

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Epsilonschlauch [Quelle]

Der Punkt ist das Folgenglied, ab dem alle späteren Folgenglieder (also mit Index größer gleich ) innerhalb des Schlauches liegen. Direkt vor liegt ein Punkt, der außerhalb des Schlauchs liegt. Wenn wir den Schlauch jetzt dünner machen, können vielleicht nicht mehr alle Punkte innerhalb des Schlauches liegen, die vorher im großen Schlauch lagen. Deshalb kann man den dünnen Schlauch nicht mehr so weit nach links schieben, wenn noch alle Punkte innerhalb des Schlauches liegen sollen. Jedoch ist es auch bei ihm möglich, dass fast alle Folgenglieder „eingefangen “werden können:

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Epsilonschlauch klein [Quelle]

Nun ist der Punkt, der nicht mehr in den dünneren Schlauch passt, weiter rechts als im vorherigen Bild. Das neue erste Folgenglied im Schlauch nennen wir . Alle Folgenglieder mit einem Index größer gleich liegen in dem dünneren Schlauch.

Dieser Schlauch hat keine nähere mathematische Bedeutung. Wir haben ihn nur verwendet, um zu zeigen, dass die Folgenglieder immer näher an der gestrichtelten Linie liegen. Sie gehen also immer näher an heran und insbesondere auch nicht mehr weiter weg, da sie ja ab einem bestimmten Index alle innerhalb des Schlauches liegen, egal wie dünn dieser ist. Haben wir das verstanden, brauchen wir den „Schlauch “ nicht mehr. Was bisher unser beliebig dünner Schlauch mit Radius war, werden wir -Umgebung nennen.

In jeder Umgebung um den Grenzwert liegen fast alle Folgenglieder

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Der Grenzwert ist eine Zahl, so dass für jede Umgebung fast alle Folgenglieder in dieser Umgebung um die Zahl liegen. [Quelle]

Wir haben Indizes wie bzw. gefunden, ab denen alle nachfolgenden Folgenglieder innerhalb der jeweiligen -Schläuche liegen. Machen wir den Schlauch noch dünner, finden wir entsprechend ein , ab dem alle Folgenglieder im Schlauch liegen und so weiter. Egal wie dünn wir den Schlauch machen, es wird immer einen Punkt geben, ab dem alle weiteren Folgenglieder im Schlauch liegen.

Da solche Startindizes wie natürliche Zahlen sind, kann es nur endlich viele Folgenglieder geben, die außerhalb des Schlauches liegen (nämlich höchstens Folgenglieder). Alle restlichen Folgenglieder liegen innerhalb des Schlauchs. Da eine Folge unendlich viele Folgenglieder hat, kann man die endlich vielen Glieder, die außerhalb liegen, vernachlässigen und sagen, dass fast alle Glieder innerhalb des Schlauches liegen. Das geht selbst, wenn das sehr groß ist. Denn in Relation zu unendlich vielen Folgegliedern, die innerhalb des Schlauchs liegen, sind endlich viele Folgeglieder außerhalb des Schlauchs wenig - egal wie groß ist. Das zu verstehen ist wichtig, um den Grenzwertbegriff zu verstehen.

Wir haben also herausgefunden, dass fast alle Folgenglieder in dem Schlauch liegen, egal wie dünn dieser ist. Das heißt, dass die Folgenglieder immer näher an den Grenzwert herangehen. Und das ist es, was den Grenzwert ausmacht. Die Folgenglieder liegen beliebig nah am Grenzwert , wenn wir hinreichend große betrachten.

Was bedeutet „fast alle"?

Dazu stellen wir uns ein Koordinatensystem vor, auf dem unendlich viele Folgenglieder einer konvergierenden Folge dargestellt sind. Nun nehmen wir einen -Schlauch und fädeln ihn von rechts über den Grenzwert ein. Dann passt eine endliche Anzahl an Folgengliedern nicht in den Schlauch, weil der Abstand zum Grenzwert nicht klein genug ist. Jedoch liegen unendlich viele Folgenglieder innerhalb des Intervalls und damit im -Schlauch.

Die Anzahl der Folgenglieder, die innerhalb des Intervalls liegen, ist also überwältigend groß im Vergleich zur Anzahl der Folgenglieder außerhalb dieses Intervalls. Man sagt daher, dass fast alle Folgenglieder im Intervall liegen.

Wenn „fast alle“ Folgenglieder im Intervall liegen, so bedeutet es, dass „alle bis auf endlich viele“ Folgenglieder ein Element dieses Intervalls sind.

Verfeinerung der mathematischen Definition

Insgesamt können wir definieren:

 
Hinweis

Eine Folge hat einen Grenzwert , wenn es für jede -Umgebung von , also , ein Folgenglied gibt, ab dem alle folgenden Folgenglieder Elemente der Umgebung sind.

Obige Aussage könnten wir als mathematische Definition des Grenzwerts verwenden. Jedoch ist es sinnvoll, diese Definition noch weiter zu formalisieren.

Nun ist ein Folgenglied genau dann ein Element von , wenn ist. Also:

 
Hinweis

Eine Folge hat einen Grenzwert , wenn es zu jedem ein Folgenglied gibt, ab dem für alle folgenden Folgenglieder die Ungleichung erfüllt ist.

Den Teil „es gibt ein Folgenglied, ab dem gilt ...“ können wir umformulieren zu ,es gibt eine natürliche Zahl , so dass für alle mit gilt ...". Somit:

 
Hinweis

Eine Folge hat einen Grenzwert , wenn es zu jedem eine natürliche Zahl gibt, so dass für alle ist.

Dies ist dann auch die mathematische Definition des Grenzwerts.

Definition des Grenzwerts

 
Definition

Grenzwert
Eine Folge besitzt einen Grenzwert , wenn es zu jedem einen Folgenindex gibt, so dass für alle Folgenglieder mit die Ungleichung erfüllt ist. Es ist also genau dann ein Grenzwert von , wenn gilt:

Kommentiert lautet die prädikatenlogische Definition des Grenzwerts:

ü

 

Es folgen einige Definitionen im Zusammenhang mit dem Grenzwert:

 
Definition

Konvergenz:

Eine Folge heißt konvergent, wenn sie einen Grenzwert besitzt. Man sagt auch, dass eine Folge gegen a konvergiert, wenn sie den Grenzwert besitzt.

 
Definition

Divergenz:

Eine Folge nennt man divergent, wenn sie keinen Grenzwert besitzt.

 
Definition

Nullfolge:

Eine Nullfolge ist eine konvergente Folge mit dem Grenzwert

Wenn eine Folge gegen konvergiert, schreibt man oder „a_n für ". Man spricht hier „Limes von für gegen unendlich ist ".

 
Hinweis

Für den Betrag gilt . Dementsprechend ist

Es ist also egal, ob wir oder in der Definition verwenden.

 
Hinweis

Aus der Definition der Konvergenz folgt unmittelbar, dass genau dann gegen konvergiert, wenn eine Nullfolge ist. Wenn nämlich gegen 0 konvergiert, dann ist per Definition

Dies entspricht aber der Definition dafür, dass gegen konvergiert. Konvergiert umgekehrt gegen , so gilt per Definition

Somit gilt auch mit gleichen Quantoren und gleicher Variablendeklaration, also konvergiert gegen 0

 
Hinweis

Warnung

Im Studium begegnet man hin und wieder der Fehlvorstellung „Eine Folge divergiert genau dann, wenn sie unbeschränkt ist.“ Diese Aussage ist falsch!

Der intuitive Denkfehler dahinter ist wahrscheinlich oft der voreilige Schluss: „Das Gegenteil von ist , also muss beliebig groß werden.“ Dies entspricht aber nicht der hergeleiteten Definition für Divergenz von oben!

Zwar ist jede unbeschränkte Folge divergent (siehe hierzu das Kapitel Unbeschränkte Folgen divergieren), aber nicht jede divergente Folge muss zwangsläufig unbeschränkt sein. Ein Beispiel hierfür ist die Folge , welche beschränkt und divergent ist.

Erklärung der Konvergenz

Neben der obigen Herleitung gibt es eine weitere Intuition für den Grenzwertbegriff: Die Größe ist der Abstand zwischen dem -ten Folgenglied und . Sie ist ein Maß für den Fehler bzw. Unterschied zwischen und . Die Ungleichung bedeutet also, dass der Fehler zwischen und garantiert kleiner als der Maximalfehler ist. Damit kann die Definition des Grenzwerts folgendermaßen gedeutet werden: Egal was für einen Maximalfehler man vorgibt, fast alle Folgenglieder haben einen Unterschied kleiner als vom Grenzwert . Der Fehler zwischen den Folgengliedern und dem Grenzwert wird also beliebig klein.

Diese Interpretation kann auch durch die Wahl der Variablen gestützt werden. Augustin-Louis Cauchy könnte mit das französische Wort „erreur “ für „Fehler“ gemeint haben.

Beispiel: Konvergenz der harmonischen Folge

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Die ersten zehn Folgenglieder der harmonischen Folge [Quelle] 

Schauen wir uns das Ganze bei der harmonischen Folge mit dem allgemeinen Glied an. Diese konvergiert intuitiv gesehen gegen 0 . Sie müsste also auch die obige Definition für Konvergenz gegen 0 erfüllen.

Nimm zum Beispiel . Ab dem dritten Folgenglied ist der Abstand von zu 0 kleiner als . Damit liegen ab dem dritten Folgenglied alle weiteren Folgenglieder in der -Umgebung Für ist der Abstand der Folge zu 0 ab und für ab kleiner als das jeweils gewählte .

Machen wir das nun ganz allgemein und denken uns ein beliebiges . Aus dem archimedischen Axiom folgt, dass es ein gibt, so dass für alle ist. (Siehe Archimedisches Axiom mit der Wahl von und .) Ab diesem liegen alle folgenden Folgenglieder in der -Umgebung ] . Dementsprechend ist der Grenzwert der harmonischen Folge gleich

Der Grenzwert ist eindeutig

 
Definition

Eindeutigkeit des Grenzwerts

Jede konvergente Folge besitzt nur einen einzigen Grenzwert.

 
Hinweis

Eindeutigkeit des Grenzwerts

Dieser Satz macht Ausdrücke wie erst sinnvoll. Stell dir vor, es gäbe eine Folge mit mehr als einem Grenzwert. Dann könntest du dem Ausdruck keine eindeutige Zahl zuordnen, weil du nicht weißt, welchen der Grenzwerte bezeichnen soll. Weil nun aber maximal einen Grenzwert besitzt, ist stets klar, dass lim diesen eindeutigen Grenzwert bezeichnen soll (unter der Voraussetzung natürlich, dass konvergiert). Dank des obigen Satzes kann man von „dem Grenzwert" und nicht nur von „einem Grenzwert" sprechen.

 
Vorgehen

Eindeutigkeit des Grenzwerts

Den Satz werden wir indirekt über einen Widerspruchsbeweis zeigen. Hierzu gehen wir davon aus, dass es eine konvergente Folge mit zwei verschiedenen Grenzwerten gibt. Diese Annahme müssen wir nun zum Widerspruch führen.

Nennen wir die beiden Grenzwerte und . Um den Widerspruch zu finden, können wir folgende Methode verwenden: Wir können versuchen, den Gegensatz von dem, was wir eigentlich zeigen wollen, zu beweisen. Dieser Versuch ist natürlich zum Scheitern verurteilt. Wenn wir aber verstehen, warum der Versuch scheitert, dann gibt uns das Hinweise, wie wir den eigentlichen Beweis zu führen haben. Versuchen wir also zu beweisen, dass es eine Folge mit zwei verschiedenen Grenzwerten gibt.

Nimm also ein Blatt Papier und zeichne eine Zahlengerade ein. Markiere nun zwei verschiedene Zahlen auf der Zahlengerade, die unsere zwei Grenzwerte und darstellen sollen. Versuche nun eine reelle Folge auf der Zahlengeraden zu finden, die gleichzeitig gegen beide Zahlen konvergiert (Denk daran, dass deine Zahlenfolge ab einem bestimmten Folgenglied in jeder noch so kleinen Umgebung um beziehungsweise um sein muss). Für Umgebungen von und , welche sich nicht überlappen, ist es unmöglich, dass sich dort fast alle Folgenglieder befinden. Die folgende Zeichnung verdeutlicht das Problem.

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Zahlengerade mit zwei Zahlen und disjunkten ε-Umgebungen

Wenn man also so klein wählt, dass sich und nicht überschneiden, dann sollte sich ein Widerspruch ergeben. Wir wählen . Wir wissen, dass es ein geben muss, welches sowohl in als auch liegt. Ein solches kann es aber nicht geben, weil sich die beiden Umgebungen für nicht überschneiden. Einen Widerspruch erhalten wir dann über die Dreiecksungleichung:

Nach Kürzung beider Seiten mit haben wir den Widerspruch .

Konvergenz und Divergenz beweisen

In diesem Kapitel wird erläutert, wie man die Konvergenz und Divergenz einer Folge beweisen kann. Normalerweise teilt sich diese Arbeit in zwei Arbeitsschritte auf: Zunächst versucht man auf einem Schmierblatt, eine Beweisidee zu finden, die man danach im zweiten Schritt in einem Beweis umsetzt und ins Reine schreibt. Dabei ist oftmals der Lösungsweg auf dem Schmierblatt ein völlig anderer als die letztendliche Beweisargumentation. 

Jedoch gibt es kein Schema F zur Lösung von Grenzwertaufgaben! Auch wenn ich dir in diesem Kapitel einige Tipps und Tricks mit an die Hand gebe und dir im Studium auch immer wieder neue Lösungen für Konvergenzaufgaben begegnen werden, wirst du auf Übungsaufgaben stoßen, bei denen die bisher gelernten Lösungsstrategien nicht funktionieren. Hier musst du selbst kreativ werden und auf Basis der dir bereits bekannten Sätze versuchen, neue Lösungswege zu finden. Dies ist aber gewollt. Denn du sollst im Mathematikstudium lernen, innovative Lösungsstrategien für neue Problemtypen zu entwickeln.

Beweise für Konvergenz führen

Allgemeine Beweisstruktur

Bevor wir uns einer konkreten Beispielaufgabe zuwenden, ist es sinnvoll, die allgemeine Beweisstruktur für die Konvergenz einer Folge zu verstehen. So weiß man nämlich, wie der finale Beweis aussehen muss. Die Konvergenz der Folge gegen wird durch folgende Aussage beschrieben:

Diese Aussage gibt die allgemeine Beweisstruktur vor:

ä

Der Satz „ existiert, weil..." kann im Übrigen entfallen, wenn dies offensichtlich ist. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn explizit angegeben wird und klar ist, dass eine natürliche Zahl ist.

Beispielaufgabe und allgemeines Vorgehen

Die Beispielaufgabe lautet

„Konvergiert die Folge mit ? Wenn ja, gegen welchen Grenzwert? Beweise alle deine Behauptungen.“

Der Lösungsweg involviert folgende Schritte:

  1. Grenzwert finden
  2. notwendige Beweisschritte auf Schmierblatt finden
  3. Beweis nach obiger Beweisstruktur aufschreiben

Grenzwert finden

Zunächst müssen wir bestimmen, ob die Folge konvergiert und welchen Grenzwert sie im Fall der Konvergenz besitzt. Hierzu bieten sich folgende Techniken an:

  • Erste Folgenglieder berechnen: Du kannst die ersten Folgenglieder berechnen und gegebenenfalls in ein Diagramm einzeichnen. Möglicherweise bekommst du so schon Ideen über die Eigenschaften der Folge und über einen möglichen Grenzwert.
  • Große Folgenglieder ausrechnen: Mit einem Taschenrechner oder einem Computer kannst du sehr große Folgenglieder ausrechnen. Liegen all diese Folgenglieder in der Nähe einer bestimmten reellen Zahl? Dann könnte diese Zahl der Grenzwert der Folge sein.
  • Mutmaßungen anstellen: Du kannst deine Intuition verwenden, um den Grenzwert zu erraten. Du kannst aber auch Überlegungen anstellen, was der Grenzwert sein müsste.

Fangen wir also damit an, die ersten zehn Folgenglieder von zu berechnen:

Wir sehen, dass die ersten Folgenglieder monoton steigen, wobei der Anstieg zwischen den Folgengliedern immer kleiner wird. Wir können deswegen vermuten, dass die Folge konvergiert. Ein klarer Kandidat für einen Grenzwert ist noch nicht erkennbar. Hierfür können wir hohe Folgenglieder ausrechnen, weil diese in der Nähe des Grenzwerts liegen müssten. Es ist

und

Große Folgenglieder liegen also in der Nähe von 1 und deswegen liegt die Hypothese nahe, dass 1 der Grenzwert der betrachteten Folge ist. Aber auch folgende Überlegungen stützen diese Hypothese: Wenn sehr groß ist, dann ist , weil die Addition von eins bei großen Zahlen kaum etwas am Wert ändert. Es müsste also gelten

Wegen diesen Betrachtungen kommen wir zur Hypothese, dass 1 der Grenzwert der Folge ist.

Warnung

Obige Argumentationen erfüllen nicht die Voraussetzungen eines gültigen Beweises. Durch sie kann nur eine Vermutung gewonnen werden, was der Grenzwert einer Folge sein könnte. Einen Beweis musst du danach immer gesondert führen.

Beweisschritte finden

Der Kern des Beweises ist die Abschätzung Um diese zu finden, fängt man am Besten mit dem Betrag an und versucht diesen so lange zu vereinfachen und nach oben abzuschätzen, bis man einen Ausdruck findet, der kleiner als ist. Bei den Abschätzungen dürfen wir beliebige Bedingungen für der Form stellen, wobei eine natürliche Zahl ist, die nur von und abhängen darf ( darf also nicht von abhängen!).

Auch kann man probieren, nach umzustellen, um die gewünschte Bedingung für zu finden. Jedoch muss man hier darauf achten, dass man nur Äquivalenzumformungen verwendet. Am Ende müssen nämlich alle Umformungen auch in die Gegenrichtung geführt werden können, damit man im Beweis aus wieder die Zielungleichung zeigen kann. In diesem und nächsten Kapitel sind dafür einige Beispiele. Kehren wir zur obigen Beispielaufgabe zurück und fangen an, vereinfachen:

Von diesem Ausdruck wissen wir aufgrund des archimedischen Axioms, dass er irgendwann kleiner als ist. Das archimedische Axiom fordert nämlich, dass es für alle ein mit gibt. Um zu erreichen, kann gewählt werden. Dann folgt nämlich . Damit reicht es, wenn die folgende Bedingung erfüllt:

Damit haben wir die gewünschte Abschätzung mit der einzigen Bedingung . Wir wählen im Beweis also , wobei , wie oben genannt, mit dem archimedischen Axiom gewählt wird.

Beweis aufschreiben
Wir schreiben nun den Beweis ins Reine (zur Übung kannst du selbst probieren, den Beweis nach dem obigen Schema aufzuschreiben):

Sei beliebig. Nach dem archimedischen Axiom gibt es ein mit . Wähle . Für alle gilt:

Wenn wir den Beweis und den Lösungsweg miteinander vergleichen, dann sehen wir, dass sie völlig verschieden formuliert sind. Im Beweis scheint die Wahl von und vom Himmel zu fallen, weil ohne bekannten Lösungsweg nicht klar ist, warum man diese Zahlen so wählen sollte. Dies zeigt, dass man niemals den Beweis eines Mathematikers mit dem Lösungsweg zum Beweis verwechseln sollte!

Beweise für Divergenz führen

Allgemeine Beweisstruktur

Die Divergenz einer Folge tritt per Definition genau dann ein, wenn die Folge nicht konvergent ist. Die aussagenlogische Formulierung von Divergenz ist also genau die Negation der Konvergenz-Definition. Dafür tauschen wir alle Quantoren aus und ändern im Teil nach den Quantoren . (Analog würden wir bei Negation mändern.) Bei Divergenz der Folge haben wir also folgende Aussage zu beweisen:

Die damit verbundene Beweisstruktur ist:

ä

ä

Hier können Teile des Beweisschemas weggelassen werden, wenn sie offensichtlich sind. Jedoch muss die grundlegende Beweisstruktur erhalten bleiben.

Beispielaufgabe

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Die Folge [Quelle]

Schauen wir uns den Divergenzbeweis exemplarisch an folgender Aufgabe an:

„Divergiert die Folge mit ? Beweise deine Behauptung."

 

Auch hier können wir mit den obigen Techniken (erste Folgenglieder berechnen, große Folgenglieder ausrechnen usw.) eine Vermutung aufstellen, ob diese Folge divergiert. Wir sehen aber schnell, dass die Folge über alle Grenzen hinweg wächst und sich dabei keiner reellen Zahl annähert. Die Folge sollte also divergieren. Jetzt versuchen wir, einen Beweis für diese Behauptung zu finden.

Lösungsweg

Kern des späteren Beweises ist die zu zeigende Ungleichungskette

Starten wir also wieder mit dem Betrag Auf einem Schmierblatt versuchen wir diesen Ausdruck so lange zu vereinfachen und nach unten abzuschätzen, bis wir einen Term haben. ist dabei beliebig vorgegeben und wir können keinen Einfluss auf den Wert von nehmen. Schließlich müssen wir den Beweis für alle Zahlen führen.

Jedoch können wir und frei wählen. Es muss nur gesichert sein, dass und ist, wobei eine beliebige natürliche Zahl ist. Da nach im Beweis eingeführt wird, darf von abhängen (jedoch nicht von ). Die natürliche Zahl darf sowohl von , als auch von abhängen. Wir können also während der Abschätzung nach unten beliebige Bedingungen an und sammeln. Diese Bedingungen werden zum Schluss ähnlich wie beim Konvergenzbeweis zusammengefasst.

Fangen wir also an mit Um den Term zu vereinfachen, können wir fordern, weil wir dann den Betrag weglassen können. Dass für ein die Ungleichung erfüllt ist, erhalten wir aus den Folgerungen der Bernoulli-Ungleichung . Eine davon besagt:

„Für jede Zahl und jede Zahl gibt es ein , so dass ist.“

Wir müssen nur und setzen. So erhalten wir mit der Bedingung :

Nun müssen wir beweisen, also formen wir dies durch Äquivalenzumformungen um:

So erhalten wir die neue Bedingung , womit wir die letzte Ungleichung beweisen können. Für haben wir noch keine Bedingungen und können damit diese Zahl frei wählen. Dass es tatsächlich für jedes ein gibt mit , liegt daran, dass wir die Folgerung aus der Bernoulli-Ungleichung auch mit benutzen können. Wir müssen nur aufpassen, dass ist. So wählen wir einfach . Für haben wir die beiden Bedingungen und . Also wählen wir , um beide Bedingungen zusammenzufassen.

Beweis aufschreiben

Nun haben wir alle notwendigen Schritte, um den Beweis zu führen:

Beweis: Sei beliebig. Wähle Sei beliebig. Wähle so, dass ist. Dies ist aufgrund der Folgerungen aus der Bernoulli Ungleichung möglich. Es ist nun

Unbeschränkte Folgen divergieren

In diesem Kapitel werden wir sehen, dass unbeschränkte Folgen divergieren müssen. Daraus werden wir folgern, dass konvergente Folgen beschränkt sein müssen.

Unbeschränkte Folgen divergieren

Im Kapitel Konvergenz und Divergenz beweisen haben wir bereits gezeigt, dass die Folge divergiert. Wir hatten ausgenutzt, dass diese Folge über alle Grenzen hinauswächst. Wenn wir nämlich ein beliebiges festhalten, dann gibt es ein mit . Auch für alle mit ist und damit

Unendlich viele Folgenglieder von liegen damit außerhalb der Umgebung . Deshalb kann nicht gegen konvergieren. Sonst müssten fast alle Folgenglieder von in liegen, was aber nicht der Fall ist. Weil beliebig gewählt wurde, kann keinen Grenzwert besitzen und muss also divergieren.

Diese Beweisskizze können wir auf beliebige unbeschränkte Folgen verallgemeinern. Wir hatten ausgenutzt, dass beliebig groß wird. Erinnern wir uns an die Definition einer unbeschränkten Folge:

 
Definition

Eine Folge ist unbeschränkt, wenn es für alle unendlich viele Folgenglieder mit gibt.

Diese Eigenschaft können wir verwenden, um folgenden Satz zu beweisen:

 
Definition

Unbeschränkte Folgen divergieren
Sei eine unbeschränkte Folge. Für alle gibt es also unendlich viele Folgenglieder mit Dann muss die Folge divergieren.

 
Hinweis

Unbeschränkte Folgen divergieren
Mit diesem Satz können wir beweisen, dass eine Folge divergiert. Wenn wir nachweisen können, dass eine Folge unbeschränkt ist, wissen wir also sofort. dass sie divergiert.

 
Vorgehen

Unbeschränkte Folgen divergieren
Genau wie in der obigen Beweisskizze nehmen wir eine beliebige Zahl und zeigen, dass die unbeschränkte Folge nicht gegen konvergieren kann. Dafür müssen wir zeigen, dass für unendlich viele größer als eine fixe Zahl ist. Wir müssen also nach unten abschätzen. Benutzen wir hierzu die umgekehrte Dreiecksungleichung:

Wir wissen, dass unendlich viele größer sind als jede fixe Schranke , da unbeschränkt ist. Wählen wir Jetzt können wir wie in der Beweisskizze oben mit zeigen:

Aus folgt, dass nicht in der -Umgebung liegen kann. Damit kann aber nicht gegen konvergieren, was wir hier zeigen müssen.

Konvergente Folgen sind beschränkt

Beweis über Kontraposition

Laut dem obigen Satz müssen unbeschränkte Folgen divergieren. Mit Hilfe von Kontraposition können wir folgern, dass konvergente Folgen beschränkt sein müssen. Das Prinzip der Kontraposition lautet:

Obiger Satz ist die Implikation:

ist unbeschränkt divergiert


Also muss nach dem Prinzip der Kontraposition gelten:

divergiert ist unbeschränkt

Dies bedeutet dasselbe wie

konvergiert ist beschränkt

 

Wer daran zweifelt, dass Kontraposition tatsächlich funktioniert, kann sich die Wahrheitstafeln von und aufschreiben und vergleichen. Ein kleines Beispiel ist: "Wenn es regnet , wird der Boden nass ." Deshalb gilt auch: "Wenn der Boden nicht nass ist , kann es nicht regnen ." Aus der zweiten Implikation können wir umgekehrt auch die erste folgern. Durch die Kontraposition gilt also folgender Satz, den wir insbesondere in späteren Beweisen nutzen werden:

 
Definition

konvergente Folgen sind beschränkt
Jede konvergente Folge ist beschränkt. Wenn also eine Folge konvergiert, dann gibt es ein mit für alle .

 
Hinweis

Die Umkehrung des Satzes muss nicht gelten. Das bedeutet: Eine beschränkte Folge muss nicht konvergieren. Eine divergente Folge muss nicht unbeschränkt sein.

Ein Gegenbeispiel ist die Folge . Diese Folge ist beschränkt, jedoch nicht konvergent.

Grenzwertsätze

Epsilon-Beweise für Grenzwerte können sehr aufwendig werden. In diesem Kapitel behandeln wir einige Sätze, die die Bestimmung von Grenzwerten vereinfachen.

Die Grenzwertsätze

Die Grenzwertsätze für konvergente Folgen lauten:

 
Definition

Grenzwertsätze
Seien und zwei konvergente Folgen mit und . Sei außerdem beliebig. Es gilt

  • für alle

Wenn außerdem und für alle ist, dann gilt auch

Für und für alle gilt:

 
Hinweis

Warnung

Diese Regeln gelten nur, wenn alle Teilfolgen, die in den Grenzwertregeln vorkommen, konvergieren. Wenn auch nur eine dieser Folgen divergiert, können wir den Satz nicht anwenden.

Wir müssen außerdem beachten, dass und keine reellen Zahlen sind und damit auch keine gültigen Grenzwerte. Wenn also beispielsweise ist, dann divergiert und wir können keinen der Grenzwertsätze anwenden.

Monotonieregel: Grenzwerte abschätzen

Außerdem gilt die Monotonieregel, die wir zum Abschätzen der Grenzwerte verwenden können:

 
Definition

Monotonieregel
Seien und zwei konvergente Folgen. Wenn für fast alle ist, dann gilt die Ungleichung:

Beispiel: Grenzwert einer Folge berechnen

Betrachten wir die Folge

Ein Beweis mit -Umgebung zur Bestimmung der Konvergenz wäre sehr kompliziert. Zum Glück erkennen wir in der Folgendefinition viele Folgen, deren Konvergenzverhalten wir bereits kennen. So ist zum Beispiel 1. Durch schrittweise Anwendung der Grenzwertsätze können wir den Grenzwert bestimmen:

 

So können wir zeigen, dass konvergiert und den Grenzwert 4 besitzt. Diese Herleitung hat aber einen Haken: Wir benutzen die Grenzwertsätze, bevor wir die Konvergenz der einzelnen Folgen gezeigt haben. Dass diese Folgen konvergieren, ergibt sich erst im Argumentationsverlauf, nachdem wir die Grenzwertsätze schon verwendet haben. Deswegen ist diese Herleitung kein gültiger Beweis. Ein gültiger Beweis ist zum Beispiel folgender:

 

 

 

Wir beginnen mit der Konvergenz der Folgen, deren Konvergenzverhalten wir kennen. Durch schrittweise Anwendung der Grenzwertsätze in umgekehrter Reihenfolge leiten wir dann die Konvergenz der betrachteten Folge und ihren Grenzwert her. Beim Zeichen handelt es sich um die Konjunktion , die man als „und“ lesen kann.

Den Beweis so aufzuschreiben ist aber aufwendig und macht keinen Spaß. Meist zeigen wir diese Aussagen wie die Beweisskizze oben. Wir wenden einfach die Grenzwertsätze an, obwohl wir nicht wissen, ob die Folgen konvergieren. Wir müssen aber im Nachhinein anmerken, dass wir die Grenzwertsätze anwenden durften. Das gilt, weil am Ende alles konvergiert. Weil bei den letzten Schritten alles funktioniert, durften wir die Schritte davor machen. Wenn wir den Beweis also durch direkte Anwendung der Grenzwertsätze zeigen wollen, müssen wir noch erklären, dass wir diese Sätze benutzen durften.

Beweise der Grenzwertsätze

Die Betragsregel

 
Definition

Grenzwertregel mit Absolutbetrag
Sei eine konvergente Folge mit dem Grenzwert . Dann ist .

Beweisweg: Grenzwertregel mit Absolutbetrag
Aus lim folgt, dass beliebig klein wird. Wir müssen zeigen, dass auch beliebig klein wird. Im Kapitel zum Betrag haben wir folgende Ungleichung bewiesen

Damit ist

Wenn kleiner als ist, dann ist es somit auch . Dies können wir für den Beweis der Konvergenz nutzen. Sei . Wir müssen nun ein finden, sodass für alle ist. Wegen wissen wir, dass es ein gibt, sodass für alle gilt.

Wie wir gesehen haben, folgt aus die Ungleichung . Damit können wir im Beweis setzen. Da nämlich für alle ist, folgt daraus auch für alle

Beweis: Grenzwertregel mit Absolutbetrag
Sei beliebig. Weil gegen konvergiert, gibt es ein mit für alle . Sei nun beliebig. Wegen der umgekehrten Dreiecksungleichung || folgt

Die Summenregel

 
Definition

Grenzwertsatz für Summen
Sei eine konvergente Folge mit Grenzwert und eine konvergente Folge mit Grenzwert . Dann konvergiert auch die Folge mit .

Beweisweg: Grenzwertsatz für Summen
Wir müssen zeigen, dass der Betrag beliebigklein wird. Wir können verwenden, dass die Beträge und beliebig klein werden. Deswegen sollten wir eine Abschätzung von nach oben finden, bei der die Beträge oder vorkommen. Hier gibt es einen Trick: Wir schreiben den Term geschickt um und verwenden dann die Dreiecksungleichung

Weil und beliebig klein werden, sollte auch ihre Summe beliebig klein werden. Somit sollte unsere Abschätzung ausreichen. Jedoch müssen wir noch einen Epsilon-Beweis für unsere Vermutung formulieren. Auch hier können wir einen Trick verwenden: In der Summe haben wir zwei Beträge und jeden schätzen wir gegen ab. Wenn nämlich und ist, dann ist

Wir wissen, dass es ein mit für alle gibt. Analog existiert ein mit für alle . Für unseren Beweis brauchen wir gleichzeitig und . Also sollte gleichzeitig und gelten. Unser Ziel ist es, ein zu finden, sodass aus sowohl als auch folgt. Eine Möglichkeit ist, zu wählen. Aus folgt nämlich und .

Beweis: Grenzwertsatz für Summen
Sei beliebig. Es gibt ein mit für alle , weil ist. Außerdem gibt es wegen ein mit für alle . Wir wählen . Sei beliebig. Es ist

Die Faktorregel

 
Definition

Faktorregel für Grenzwerte
Sei beliebig und eine konvergente Folge mit Grenzwert .

Dann konvergiert auch die Folge .

Beweis: Faktorregel für Grenzwerte
Um zu beweisen, müssen wir für fast alle zeigen. Formen wir diese Ungleichung um:

Wir können nicht pauschal durch teilen, weil auch Null sein könnte. Jedoch ist der Fall einfach zu zeigen. Hier müssen wir beweisen, dass ist. Da ist, folgt , was zu zeigen war. Schauen wir uns den Fall an:

Weil gegen 0 konvergiert, gibt es ein , sodass für alle ist.

Die Produktregel

 
Definition

Produktregel für Grenzwerte
Sei eine konvergente Folge mit Grenzwert und eine konvergente Folge mit Grenzwert .

Dann konvergiert auch die Folge . mit .

Beweis: Produktregel für Grenzwerte
Sei beliebig. Wir müssen beweisen, dass für alle gilt, wobei wir in Abhängigkeit von geschickt wählen müssen. Dabei können wir verwenden, dass und beliebig klein werden, weil die Folgen gegen und gegen konvergieren. Um dies nutzen zu können, müssen wir geschickt umformen und so nach oben abschätzen, dass wir die Beträge und erhalten. Hierzu verwenden wir einen Trick, der für diese Art von Beweis typisch ist. Wir addieren den Term , welcher gleich Null ist:

Wenn wir also für alle zeigen können, dass beide Summanden kleiner als sind, dann sind wir fertig.


Abschätzung des zweiten Summanden
Beim zweiten Summanden ist das leicht: Die Folge konvergiert gegen und nach der Faktorregel mit gilt . Damit gilt nach der Summenregel, d.h. es gibt ein so, dass für alle gilt

Abschätzung des ersten Summanden
Auch beim ersten Summanden wäre es schön, wenn wir die Faktorregel anwenden können. Das Problem ist nur, dass von abhängt und folglich kein Kandidat für das aus der Faktorregel ist.

Wir haben in einem vorherigen Kapitel bewiesen, dass konvergente Folgen beschränkt sind. Diesen Satz können wir hier auf die Folge anwenden: Sei so dass für alle .

Dann gilt für alle , dass und genauso wie für den zweiten Summanden liefert uns die Faktorregel mit (beachte, dass im Gegensatz zu nicht von abhängt) ein mit für alle . Also gilt für alle die folgende Ungleichung: .


Zusammenfassung
Wir brauchen nur noch ein passend gewähltes . Für alle muss die Bedingung und erfüllt sein, damit beide Abschätzungen gültig sind. Daher wählen wir . Dieses hängt nur von , da und nur von abhängen.
Für alle gilt nun

Die Quotientenregel

 
Definition

Quotientenregel für Grenzwerte
Sei eine konvergente Folge mit Grenzwert und sei eine konvergente Folge mit Grenzwert sowie für alle . Dann konvergiert die Folge mit .

Beweisweg: Quotientenregel für Grenzwerte
Es genügt zu zeigen, dass ist, denn aus der Produktregel folgt

Für den Beweis müssen wir zeigen, dass beliebig klein wird. Dabei können wir verwenden, dass beliebig klein wird, weil gegen konvergiert. Dazu formen wir geschickt um:

Nun können wir kontrollieren, d.h. beliebig klein machen. Das im Nenner stört uns nicht weiter, da es konstant ist. Wir müssen uns also nur noch um im Nenner kümmern. Da wir beliebig klein machen können, reicht es, wenn wir nach oben durch eine Konstante abschätzen. Dazu müssen wir nach unten abschätzen.

Um nach unten abzuschätzen, verwenden wir nun die Voraussetzung, dass ist. Daher gibt es ein , so dass ab diesem Index alle Folgenglieder von die Ungleichung erfüllen. Also gilt für alle . Für den gesamten Ausdruck erhalten wir damit

Diesen Ausdruck bekommen wir beliebig klein, da wir beliebig klein kriegen, und der Vorfaktor konstant ist. Hierzu wählen wir zu einem beliebigem den Index so groß, dass für alle gilt

Dann erhalten wir insgesamt für alle :

Diese Beweisskizze müssen wir nun in einen formalen Beweis gießen, um lim zu zeigen.

Beweis: Quotientenregel für Grenzwerte
Sei beliebig. Wegen gibt es ein , so dass für alle ist. Außerdem gibt es ein mit für alle . Dann gilt für alle :

Es gilt daher . Mit der Produktregel folgt nun

Die Monotonieregel

 
Definition

Monotonieregel für Grenzwerte
Seien und Folgen mit Grenzwerten und . Es gelte auBerdem für fast alle . Dann gilt .

Beweisweg: Monotonieregel für Grenzwerte
Diese Regel zeigen wir durch einen Widerspruchsbeweis. Wir nehmen an, dass unter den Voraussetzungen des Satzes wäre, und leiten daraus eine widersprüchliche Aussage her.

Beweis: Monotonieregel für Grenzwerte
Angenommen . Wegen und gibt es zu Indizes mit für alle und für alle . Daraus folgt für alle  

Also für alle Dies ist ein Widerspruch zu für fast alle Daher muss gelten.

Monotoniekriterium

In diesem Kapitel werden wir beweisen, dass monotone und beschränkte Folgen konvergieren. Wenn du also zeigen kannst, dass eine Folge beschränkt und monoton ist, dann muss diese konvergieren. Das Schöne dabei: Für diesen Beweis musst du den Grenzwert der Folge nicht kennen!

So ist dieser Satz bei Konvergenzbeweisen für rekursiv definierte Folgen hilfreich, denn bei rekursiv definierten Folgen ist eine Abschätzung des Abstands zwischen dem Grenzwert und dem Folgenglied oft schwierig.

Konvergenz monotoner und beschränkter Folgen

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Die Folge [Quelle]

 
Definition

Monotoniekriterium für Folgen
Jede monotone und beschränkte Folge reeller Zahlen konvergiert.

 
Hinweis

Monotoniekriterium für Folgen
Diesen Satz kannst du folgendermaßen nachvollziehen: Versuche, auf der Zahlengerade eine divergente, monotone und beschränkte Folge einzuzeichnen. Zur Erinnerung: Eine Folge ist monoton, wenn entweder immer oder immer gilt. Du wirst schnell merken, dass dies nicht möglich ist. Es macht also Sinn, dass dieser Satz gilt. 

Teilfolgen

Einführendes Beispiel

Manchmal ist es notwendig, nur über eine Unterfolge einer Folge zu sprechen. Solche Unterfolgen werden in der Mathematik Teilfolge genannt. Dieser Name ist ganz intuitiv: Teilfolgen bezeichnen einen Teil einer Folge. Eine Teilfolge entsteht dadurch, dass in einer gegebenen Folge beliebige Folgenglieder entfernt werden. Beim Streichen der Folgenglieder müssen aber unendlich viele Folgenglieder übrig bleiben. Die übrig geliebenen Folgenglieder bilden dann eine Teilfolge der ursprünglichen Folge. Nehmen wir zum Beispiel die Folge :

Wir interessieren uns nun für die Teilfolge jedes zweiten Folgenglieds. Diese entsteht, indem wir alle Folgenglieder mit ungeradem Index streichen:

So entsteht eine Teilfolge, die konstant 1 ist.

Mathematische Beschreibung

Wie können Teilfolgen notiert werden? Schauen wir uns zunächst die Indizes der Folgenglieder an, die in der Teilfolge enthalten sein sollen:

Jetzt suchen wir eine Folge , die diese Indizes beschreibt. Im obigen Beispiel betrachten wir alle geraden Indizes. Also ist :

Diese Folge setzen wir in ein. Dadurch entsteht die Teilfolge

Zunächst bilden wir also die Folge der relevanten Indizes einer Teilfolge. Diese Teilfolge setzen wir dann in die Originalfolge für ein, sodass wir die Teilfolge erhalten.

In unserem Beispiel ist . Wir setzen also für in ein. So erhalten wir die Teilfolge .

Definition

 
Definition

Teilfolge
Sei eine beliebige Folge. Jede Folge heißt Teilfolge von , wenn eine streng monoton steigende Folge natürlicher Zahlen ist.

Dieser Begriff ist wichtig für die Analysis, weil durch inn Häufungspunkte charakterisiert werden können. Was Häufungspunkte genau sind, werden wir im nächsten Kapitel näher untersuchen.

 
Hinweis

Jede Folge ist eine Teilfolge von sich selbst. Wenn man nämlich wählt, dann ist . Für ist also die Teilfolge mit der ursprünglichen Folge identisch. Das zeigt, dass jede Folge eine Teilfolge von sich selbst ist.

Konvergenz von Teilfolgen

Für Teilfolgen gibt es die folgenden wichtigen Sätze:

 
Definition

Konvergenz von Teilfolgen
Sei eine Folge. konvergiert genau dann, wenn jede Teilfolge konvergiert. Der Grenzwert der Folge stimmt mit den Grenzwerten ihrer Teilfolgen überein.

 
Definition

Divergenz bei Divergenz einer Teilfolge
Wenn eine Teilfolge divergiert, muss auch die ursprüngliche Folge divergieren.

Häufungspunkte von Folgen

Achtung: Verschiedene Arten von Häufungspunkten

Beim Begriff „Häufungspunkt“ müssen wir aufpassen. Es gibt nämlich zwei verschiedene Arten von Häufungspunkten in der Mathematik: Häufungspunkte von Folgen und Häufungspunkte von Mengen. Obwohl beide Begriffe eng miteinander verwandt sind, müssen wir zwischen ihnen unterscheiden. In Vorlesungen und Übungen sollte man sich immer klar machen, um welche Art von Häufungspunkt es gerade geht.

In diesem Kapitel werden Häufungspunkte von Folgen vorgestellt. Wenn wir also im Folgenden das Wort „Häufungspunkt “ benutzen, dann ist damit der Häufungspunkt einer Folge gemeint.

Einleitendes Beispiel

Wir stoßen auf den Begriff des Häufungspunkts, wenn wir uns das Grenzwertverhalten bestimmter Folgen anschauen. Nehmen wir die Folge . Sie hat die Folgenglieder

 

Im Diagramm sieht die Folge so aus:

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Erste Folgenglieder der Folge [Quelle]

Wir sehen zunächst, dass die Folge keinen Grenzwert besitzt. Es gibt nämlich keinen eindeutigen Wert, gegen den sie strebt. Dennoch können wir ein gewisses Grenzwertverhalten ausmachen: Ein Teil der Folge scheint gegen und der andere Teil gegen zu streben.

Für dieses „Streben eines Teils der Folge“ gibt es den Begriff des Häufungspunkts. Wir werden sehen, dass und die beiden Häufungspunkte der Folge sind. Fassen wir also zusammen:

 
Hinweis

Häufungspunkte sind Werte, gegen die ein Teil einer Folge strebt.

Diese intuitive Beschreibung müssen wir noch in eine mathematisch exakte Definition umformulieren.

 

Definition des Häufungspunkts

Wie kann man die Intuition „Streben eines Teils einer Folge" allein durch mathematische Begriffe ausdrücken? Im letzten Kapitel haben wir das Konzept einer Teilfolge kennengelernt. Es liegt nahe, die Umschreibung „Teil einer Folge“ durch den Begriff, „Teilfolge“ zu ersetzen. Genauso können wir „Streben eines Teils einer Folge" durch "Streben einer Teilfolge" ersetzen.

Wir müssen noch konkretisieren, was "Streben einer Teilfolge" gegen einen Wert sein soll. Die Konvergenz einer Folge beschreibt die intuitive Idee, dass eine Folge gegen einen Grenzwert strebt. Wir können also die Umschreibung,

„...ein Teil einer Folge strebt gegen einen Wert"

durch folgende Formulierung ersetzen:

„...eine Teilfolge konvergiert gegen einen Wert“

So erhalten wir folgende Definition des Häufungspunkts:

 
Definition

Häufungspunkt einer Folge
Eine Zahl ist Häufungspunkt einer Folge , wenn es eine Teilfolge der Folge gibt, die gegen diese Zahl konvergiert.

Alternative Definition des Häufungspunkts

Umgebungsdefinition des Häufungspunkts

Den Grenzwert einer Folge hatten wir dadurch charakterisiert, dass in jeder Umgebung des Grenzwerts fast alle Folgenglieder liegen. Für Häufungspunkte gibt es eine ähnliche Charakterisierung: Eine Zahl ist Häufungspunkt einer Folge, wenn in jeder Umgebung um den Punkt unendlich viele Folgenglieder liegen. Der Unterschied zum Grenzwert liegt darin, dass sich in jeder Umgebung um den Häufungspunkt nur unendich viele und nicht fast alle Folgenglieder befinden müssen

Zur Erinnerung: Eine -Umgebung einer Zahl ist ein offenes Intervall mit .

Damit ein Häufungspunkt der Folge sein kann, müssen sich also unendlich viele Folgenglieder in jedem Intervall der Form befinden. Nun liegt ein Folgenglied genau dann im offenen Intervall , wenn ist. Also muss es unendlich viele Indizes mit geben. Die alternative Definition des Häufungspunkts lautet:

 
Definition

Umgebungsdefinition des Häufungspunkts
Eine Folge besitzt den Häufungspunkt , wenn sich in jeder Umgebung von unendlich viele Folgenglieder von befinden. Für alle muss es also unendlich viele Indizes mit geben.

Diese Definition zeigt, dass der Häufungspunktbegriff eine Abschwächung des Grenzwertbegriffs ist. Bei Grenzwerten müssen in jeder -Umgebung des Grenzwerts fast alle Folgenglieder liegen. Nur endlich viele Folgenglieder dürfen sich außerhalb befinden. Demgegenüber müssen bei Häufungspunkten nur unendlich viele Folgenglieder in jeder -Umgebung sein. Es können also auch unendlich viele Folgenglieder außerhalb der -Umgebung liegen.

Zusammenhang Grenzwert - Häufungspunkte

Häufungspunkte als Verallgemeinerung von Grenzwerten

Aus beiden Definitionen des Häufungspunkts folgt direkt, dass jeder Grenzwert auch Häufungspunkt ist. Nach Definition konvergiert eine Folge genau dann, wenn in jeder Umgebung um den Häufungspunkt fast alle Folgenglieder liegen. Damit liegen aber auch in jeder Umgebung unendlich viele Folgenglieder, denn „fast alle Folgenglieder“ bedeutet „alle Folgenglieder bis auf endlich viele Ausnahmen “ und dies impliziert „unendlich viele Folgenglieder“. Dies zeigt, dass jeder Grenzwert auch Häufungspunkt ist:

 
Definition

Jeder Grenzwert ist Häufungspunkt
Bei konvergenten Folgen ist der Grenzwert der Folge auch ein Häufungspunkt.

Umgekehrt ist aber nicht jeder Häufungspunkt ein Grenzwert. Im einführenden Beispiel hatten wir eine Folge mit zwei Häufungspunkten kennengelernt. Jedoch wissen wir, dass es höchstens einen Grenzwert pro Folge geben kann. Der Grenzwert ist eindeutig. Die Häufungspunkte im einführenden Beispiel sind demnach keine Grenzwerte.

Halten wir fest: Jeder Grenzwert ist Häufungspunkt, aber nicht jeder Häufungspunkt ist Grenzwert. Damit ist der Begriff des Häufungspunkts eine Verallgemeinerung des Grenzwertbegriffs. Außerdem können wir festhalten: Da jeder Grenzwert ein Häufungspunkt ist und eine konvergente Folge genau einen Grenzwert besitzt, müssen alle Folgen divergieren, die keinen oder mehr als einen Häufungspunkt besitzen:

 
Definition

Jede Folge mit mehr als einem oder mit keinem Häufungspunkt divergiert.

Vergleich Häufungspunkt - Grenzwert

 
Hinweis
Grenzwert Häufungspunkt
Jede Teilfolge konvergiert gegen den Grenzwert. Mindestens eine Teilfolge konvergiert gegen den Häufungspunkt.
In jeder -Umgebung liegen fast alle Folgenglieder. In jeder -Umgebung liegen unendlich viele Folgenglieder.
Eine Folge hat höchstens einen Grenzwert. Es kann beliebig viele Häufungspunkte geben.
Jeder Grenzwert ist Häufungspunkt. Es gibt Häufungspunkte, die keine Grenzwerte sind.

Satz von Bolzano-Weierstraß

In diesem Kapitel besprechen wir einen Satz, der für viele Beweise hilfreich ist: Der Satz von Bolzano-Weierstraß, welcher nach Bernard Bolzano und Karl Weierstraß benannt ist.

Dieser Satz garantiert die Existenz von Häufungspunkten bei beschränkten Folgen und wird oft verwendet, um die Existenz von Grenzwerten oder Häufungspunkten zu zeigen. Zwar könnte zum Nachweis dieser Existenz auch das Intervallschachtelungsprinzip herangezogen werden, der Weg über den Satz von Bolzano-Weierstraß ist aber oftmals einfacher.

So wird in einigen Lehrbüchern mit Hilfe des Satzes von Bolzano-Weierstraß das Monotoniekriterium für Folgen und Reihen gezeigt. Auch kann mit inm das Theorem bewiesen werden, dass stetige Funktionen auf abgeschlossenen Intervallen der Form mit beschränkt sind und ihr Maximum und Minimum annehmen.

Der Satz von Bolzano-Weierstraß

 
Definition

Satz von Bolzano-Weierstraß
Jede beschränkte Folge von reellen Zahlen besitzt mindestens einen Häufungspunkt. Es gibt also eine reelle Zahl , so dass mindestens eine Teilfolge von gegen konvergiert.

Diesen Satz kannst du so nachvollziehen: Eine Folge ist genau dann beschränkt, wenn es ein Intervall gibt, so dass alle Folgenglieder in diesem Intervall liegen. Nun hat eine Folge unendich viele Glieder. Wenn man sie alle in das endliche Intervall sperrt, gibt es ein ziemliches Gedränge und die Folgenglieder müssen sich zwangsweise zum Teil sehr nah kommen.

Nun sagt der Satz von Bolzano-Weierstraß, dass es mindestens eine reelle Zahl gibt, der die Glieder einer Teilfolge beliebig nah kommen. Diese Zahl ist Häufungspunkt der Folge. Beachte, dass selbst kein Glied der Folge sein muss. Auch könnte es insgesamt mehr als einen Häufungspunkt geben.

Wie bereits erwähnt, wird der Satz von Bolzano-Weierstraß bei Existenzbeweisen genutzt. So kann mit diesem Satz ein gesuchter Grenzwert oder ein gesuchter Häufungspunkt gefunden werden. Dabei ist die Anwendung dieses Satzes oft einfacher als die Benutzung des Supremumaxioms oder des Intervallschachtelungsprinzips. Der Grund liegt darin, dass die Beschränktheit einer Folge oft leicht nachgewiesen werden kann. Demgegenüber lässt sich das Supremumaxiom nur dann gut anwenden, wenn die gesuchte Zahl Supremum einer gegebenen Menge ist und beim Intervallschachtelungsprinzip muss man eine geeignete Intervallschachtelung konstruieren bzw. finden, die die gesuchte Zahl beliebig genau approximiert.

 
Hinweis

In der Literatur wird manchmal der Satz von Bolzano-Weierstraß in der Form „Jede reelle beschränkte Folge besitzt eine konvergente Teilfolge“ formuliert. Der Satz „Jede beschränkte Folge reeller Zahlen besitzt einen Häufungspunkt" wird dann als Satz vom Häufungspunkt bezeichnet.

Notwendigkeit des Vollständigkeitsaxioms

Für den Satz von Bolzano-Weierstraß ist die Vollständigkeit der reellen ZahIen eine notwendige Eigenschaft. Um dies zu sehen, nehmen wir als Grundmenge die rationalen Zahlen. Hier betrachten wir eine Folge rationaler Zahlen, die gegen eine irrationale Zahl konvergieren würde. Weil diese Folge konvergiert, muss sie auch beschränkt sein (wir hatten bereits nachgewiesen, dass jede konvergente Folge beschränkt ist). Außerdem ist der irrationale Grenzwert der einzige Häufungspunkt der Folge (jeder Grenzwert ist alleiniger Häufungspunkt einer Folge).

Nun besitzt die gewählte Folge keinen Häufungspunkt mehr, weil wir beim Wechsel von nach den einzigen Häufungspunkt der Folge entfernt haben. Damit kann für die Grundmenge der rationalen Zahlen der Satz von BolzanoWeierstraß nicht gelten. Schließlich kann es beschränkte rationale Folgen geben, die keine rationalen Häufungspunkte besitzen. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig die Grundmenge für den Satz ist und dass wir zum Beweis das Vollständigkeitsaxiom der reellen Zahlen benötigen werden. Schließlich ist die Vollständigkeit die wesentliche Eigenschaft, die die reellen von den rationalen Zahlen unterscheidet.

Bestimmte Divergenz

Bisher haben wir vor allem die Konvergenz von Folgen untersucht. In diesem Kapitel werden wir uns mit divergenten Folgen beschäftigen. Hier können nämlich zwei Arten der Divergenz unterschieden werden: Bestimmte und unbestimmte Divergenz.

Motivation

Wenn wir uns divergente Folgen anschauen, dann gibt es Folgen wie , und , die ein eindeutiges streben gegen oder aufweisen:

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Die Folge strebt eindeutig gegen . [Quelle]

Bei solchen Folgen werden wir sagen, dass sie bestimmt gegen beziehungsweise gegen divergieren. Demgegenüber gibt es bei Folgen wie oder kein solches eindeutiges Streben. Die Folge ist beschränkt und kann deswegen weder gegen noch gegen divergieren.

Die Folge ist zwar unbeschränkt, ihr Streben ist aber nicht eindeutig. Diese Folge besitzt nämlich Teilfolgen, die gegen streben, und andere Teilfolgen, die gegen streben:

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Die alternierende Folge ist beschränkt und kann deswegen nicht gegen unendlich streben. [Quelle]

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Die Folge ist zwar unbeschränkt, besitzt aber auch kein eindeutiges Streben gegen oder . [Quelle]

Definition

Wir haben gesehen, dass die bestimmte Divergenz das eindeutige Streben einer Folgen gegen oder gegen ist. Wie kann dies mathematisch formuliert werden?

Beginnen wir mit der bestimmten Divergenz gegen Wenn eine Folge gegen strebt, dann wird diese Folge größer als jede Zahl - egal wie groß sie ist. Mehr noch: Egal wie groß man eine Zahl annimmt, fast alle Folgenglieder dieser Folge liegen über dieser Zahl. Es existiert also ein Index , ab dem alle folgenden Folgenglieder größer gleich sind. Damit wird die Zahl ab dem Index nicht mehr unterschritten. Dies ist dann auch die Definition der bestimmten Divergenz gegen :

 
Definition

Bestimmte Divergenz gegen

Eine Folge divergiert bestimmt gegen , wenn für jede Zahl fast alle Folgenglieder größer oder gleich sind. Für alle reellen Zahlen gibt es also einen Index , sodass für alle ist:

Wir können die Aussageform der bestimmten Divergenz gegen unendlich so übersetzen:

üü

öß

Analog können wir die bestimmte Divergenz gegen definieren:

 
Definition

Bestimmte Divergenz gegen

Eine Folge divergiert bestimmt gegen , wenn für jede Zahl fast alle Folgenglieder kleiner oder gleich sind. Für alle reellen Zahlen gibt es also einen Index , sodass für alle ist:

Schreibweise

Wenn eine Folge gegen bestimmt divergiert, dann schreiben wir

Analog benutzen wir folgende Schreibweise, wenn eine Folge gegen bestimmt divergiert:

Bestimmte Divergenz als uneigentliche Konvergenz

Die Schreibweise suggeriert, dass die Folge gegen unendlich konvergiert. Hier liegt aber eine Divergenz und keine Konvergenz vor! Das Symbol ist nämlich keine reelle Zahl. Konvergente Folgen dürfen per Definition aber nur reelle Zahlen als Grenzwerte besitzen. Es gibt allerdings Parallelen zwischen der Konvergenz und der bestimmten Divergenz:

 
Hinweis
Konvergenz Bestimmte Divergenz
In jeder -Umgebung liegen fast alle Folgenglieder. In jedem Intervall liegen fast alle Folgenglieder.
Alle Teilfolgen konvergieren gegen denselben Grenzwert. Auch alle Teilfolgen divergieren bestimmt gegen .
Jede konvergente Folge ist beschränkt. Jede bestimmt divergente Folge is unbeschränkt.

Dementsprechend gibt es für bestimmte Divergenz auch den Begriff der uneigentlichen Konvergenz. Das Wort „uneigentliche Konvergenz “ deutet darauf hin, dass die bestimmte Divergenz gewisse Ähnlichkeiten zur Konvergenz aufweist. Sie ist aber in ihrem Wesen eine Divergenz.

 
Hinweis

Es ist wichtig, dass wir uns merken, dass die bestimmte Divergenz eine Art der Divergenz ist, obwohl sie der Konvergenz ähnelt und wir sie als uneigentliche Konvergenz bezeichnen. Wir dürfen also auf bestimmt divergente Folgen keine Rechenregeln anwenden, die nur für konvergente Folgen gelten. Ein Beispiel ist die Produktregel lim . Diese Regel gilt für bestimmt divergente Folgen nicht, wie die folgende Umformung zeigt:

Man erhält also die falsche Aussage , wenn man die Produktregel auf bestimmt divergente Folgen anwendet. Wir müssen also vorsichtig sein, welche Rechenregeln wir auf bestimmt divergente Folgen anwenden.

Lim sup und Lim inf

Der Limes superior und der Limes inferior ist der größte und der kleinste Häufungspunkt einer Folge. Diese dienen als partiellen Ersatz für den Grenzwert, wenn dieser nicht existiert.

Motivation

Der Grenzwert einer Folge ist diejenige Zahl, gegen die eine Folge im Unendlichen strebt. In jeder Umgebung um den Grenzwert liegen fast alle Folgenglieder und damit befinden sich nur endlich viele Folgenglieder außerhalb einer beliebigen Umgebung:

new alt text
Außerhalb jeder Umgebung um den Grenzwert liegen maximal endlich viele Folgenglieder. [Quelle]

Auch, wenn nicht jede Folge einen Grenzwert besitzt, kann man sowohl bei konvergenten als auch bei divergenten Folgen einiges über ihr Verhalten im Unendlichen aussagen. Im Kapitel Häufungspunkt einer Folge haben wir bereits das Konzept des Häufungspunkts als Verallgemeinerung des Grenzwerts kennengelernt. Der Häufungspunkt ist eine Zahl, gegen die ein Teil der Folge strebt und um die sich deswegen die Folgenglieder „häufen“. Damit können sie benutzt werden, um das Verhalten einer Folge im Unendlichen zu beschreiben.

Durch Angabe des größten und des kleinsten Häufungspunkts können wir den Bereich einschränken, wo sich diese Häufungspunkte befinden. Der größte Häufungspunkt wird dabei Limes superior und der kleinste Limes inferior genannt. Dabei verwenden wir für den größten Häufungspunkt einer Folge den Ausdruck lim sup und für den kleinsten Häufungspunkt liminf .

Das abgeschlossene Intervall [lim inf , lim sup ] zwischen dem kleinsten und größten Häufungspunkt ist eine Art „verallgemeinertes Grenzwertintervall“. Wir können nämlich zeigen, dass sich bei beschränkten Folgen in jeder Umgebung um dieses Intervall fast alle Folgenglieder befinden. Außerhalb einer solchen Umgebung befinden sich nur endlich viele Folgenglieder. In der folgenden Abbildung ist dies für eine Epsilon-Umgebung [Iim inf sup um dieses Intervall illustriert. Außerhalb dieses "Schlauchs" befinden sich nur endlich viele Folgenglieder und innerhalb fast alle:

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Das Intervall zwischen dem größten und kleinsten Häufungspunkt ist eine Art verallgemeinertes Grenzwertintervall [Quelle]

Definition

Wir wollen eine Folge genauer durch die Bestimmung des kleinsten und größten Häufungspunkts beschreiben. Dadurch schwächen wir den Grenzwertbegriff ab und gewinnen einen anderen Blick auf die Folge. Der größte Häufungspunkt wird Limes superior genannt und wird bei einer Folge mit bezeichnet. Der kleinste Häufungspunkt ist der Limes inferior und wird als beschrieben:

 
Definition

Limes superior
Der Limes superior einer Folge ist bei nach oben beschränkten Folgen der größte Häufungspunkt dieser Folge und wird mit bezeichnet. Bei nach oben unbeschränkten Folgen schreiben wir .

 
Definition

Limes inferior
Der Limes inferior einer Folge ist bei nach unten beschränkten Folgen der kleinste Häufungspunkt dieser Folge und wird mit bezeichnet. Bei nach unten unbeschränkten Folgen setzen wir .

Zusammenhang mit Grenzwert

Eine Folge konvergiert genau dann, wenn der Limes superior und der Limes inferior existieren und übereinstimmen:

 
Definition

Limes superior/inferior und Konvergenz
Eine Folge konvergiert genau dann, wenn gilt:

 
Vorgehen

Limes superior/inferior und Konvergenz
Wir müssen die Äquivalenz

zeigen.
Die Hin-Richtung " " des Beweises ist einfach. Da jede konvergente Folge beschränkt ist, folgt sie unmittelbar aus der Definition von und .

Für die Rück-Richtung " " verwenden wir die alternativen Umgebungs-Definitionen von Grenzwert und Häufungspunkt. Zur Erinnerung:

Eine Folge konvergiert genau dann gegen , wenn fast alle , und eine Folge hat den Häufungspunkt , wenn unendlich viele .

 
Hinweis

Der Satz lässt sich auch auf bestimmt divergente Folgen übertragen. Es gilt

Alternative Charakterisierung von Limes Superior und Limes Inferior

Ist beschränkt, so lassen sich limsup und lim inf auch wie folgt charakterisieren:

 
Definition

Alternative Definition von lim sup und lim inf
Ist eine beschränkte reelle Folge, so gilt

Rechenregeln für Limes Superior und Limes Inferior

 
Definition

Monotonieregel
Seien und beschränkte reelle Folgen mit für alle . Dann gilt

und

 
Definition

Zusammenhang limsup und liminf
Sei eine beschränkte reelle Folge. Dann gilt

 
Definition

Summenregel
Seien und reelle Folgen. Dann gilt

Cauchy-Folgen

Motivation

In dem letzten Kapitel haben wir den Begriff des Grenzwerts einer Folge kennengelernt. Du hast auch gesehen, wie man die Konvergenz einer Folge mit Hilfe der Epsilon-Definition des Grenzwerts beweisen kann. Für den Konvergenzbeweis mit der Epsilon-Definition ist es aber notwendig, den Grenzwert der Folge zu kennen bzw. eine Vermutung zu haben, was der Grenzwert der Folge sein könnte.

Die Epsilon-Definition des Grenzwerts lautet nämlich: Zu jedem gibt es ein , so dass die Ungleichung für alle erfüllt ist. Dabei ist der Grenzwert der Folge . Du siehst: In der EpsilonDefinition muss man den Grenzwert kennen. Doch wie können wir die Konvergenz einer Folge zeigen, wenn es sehr schwer oder sogar unmöglich ist, den Grenzwert der Folge zu bestimmen? Deshalb steht in diesem Kapitel folgende Frage im Vordergrund:

Wie kann man beweisen, dass eine Folge konvergiert, ohne den Grenzwert dieser Folge zu kennen?

Wie würdest du dieses Problem lösen? Ein erster Ansatz ist folgende Hypothese:

Eine Folge konvergiert genau dann, wenn der Abstand zwischen benachbarten Folgengliedern beliebig klein wird.

Diese Hypothese ist plausibel. Ist aber dieses Kriterium ausreichend? Leider nicht! Nimm zum Beispiel die Folge

Die Folge wird beliebig groß und divergiert damit. Der Abstand benachbarter Folgenglieder wird aber beliebig klein. Hier siehst du, dass wir ein stärkeres Kriterium als unsere obige Hypothese benötigen. Cauchy-Folgen erfüllen genau dieses stärkere Kriterium.

Obige Epsilon-Umgebung besitzt die Breite . Da alle Folgenglieder nach in dieser Umgebung liegen, muss inr Abstand untereinander kleiner als sein. Insgesamt haben wir also für die konvergente Folge folgendes gezeigt:

Diesen Ausdruck können wir nun schöner schreiben. Hierzu setzen wir . Wenn alle positiven Zahlen durchläuft, dann durchläuft auch alle positiven Zahlen. Die Abbildung bildet nämlich bijektiv auf ab (diese Abbildung nutzen wir, wenn wir setzen). Damit ist

Folgen mit dieser Eigenschaft werden Cauchy-Folgen genannt. Du siehst, dass diese Definition nicht auf den Grenzwert einer Folge zugreift. Später werden wir sehen, dass eine reelle Folge genau dann konvergiert, wenn sie eine Cauchy-Folge ist. So kann man die Konvergenz einer Folge beweisen, ohne den Grenzwert kennen zu müssen.

Hinweis: In den folgenden Abschnitten werden wir auch bei Cauchy-Folgen wieder anstelle von nutzen.

Definition von Cauchy-Folgen

 
Definition

Cauchy-Folge
Eine Folge heißt Cauchy-Folge, wenn es zu jedem eine natürliche Zahl gibt, so dass für alle ist.

Intuitiv gesprochen ist eine Folge genau dann eine Cauchy-Folge, wenn die Abstände der Folgenglieder untereinander beliebig klein werden. Beachte, dass hier mehr als nur der Abstand direkt benachbarter Folgenglieder gemeint ist. Zur Illustration:

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Eine Cauchy-Folge: Der Abstand der Folgenglieder untereinander wird beliebig klein [Quelle]

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Keine Cauchy-Folge: Der Abstand der Folgenglieder untereinander wird nicht beliebig klein [Quelle]

Jede konvergente Folge ist eine Cauchy-Folge

Wir haben die Definition der Cauchy-Folge als Alternative zur Konvergenzdefinition hergeleitet. In den folgenden Abschnitten werden wir beweisen, dass bei reellwertigen Folgen jede Cauchy-Folge konvergiert und umgekehrt. Beginnen wir mit dem Beweis, dass konvergente Folgen Cauchy-Folgen sind:

 
Definition

Jede konvergente Folge ist eine Cauchy-Folge.

Beweis

In der Einleitung haben wir eigentlich schon den Beweis für den Satz aufgeschrieben. Hier haben wir nämlich ausgehend von der Epsilon-Definition der Konvergenz die Definition einer Cauchy-Folge hergeleitet. Um den Beweis schöner zu schreiben, sollten wir aber nicht den Umweg über die neue Variable gehen. Hierzu müssen wir einfach und fordern, damit am Ende der Abschätzung und nicht rauskommt.

Sei eine beliebige konvergente Folge. Sei . Es gibt dann ein mit

für alle . Sei nun beliebig. Es ist

Jede Cauchy-Folge ist beschränkt

Genau wie bei konvergenten Folgen können wir folgenden Satz beweisen:

 
Definition

Jede Cauchy-Folge ist beschränkt.

Erklärung

Dieser Satz verwundert nicht. Wir haben Cauchy-Folgen eingeführt, um mit innen die Konvergenz einer Folge zeigen zu können. Jede Cauchy-Folge soll nämlich konvergieren (wir werden sehen, dass dies für reelle Folgen tatsächlich gilt) und konvergente Folgen sind bekanntlich beschränkt. Der Beweis zum obigen Satz ist ähnlich wie der entsprechende Beweis bei konvergenten Folgen:

Beweis

Sei eine Cauchy-Folge. Wir wissen, dass es zu jedem ein gibt, so dass für alle ist. Setzen wir wie beim Beschränktheitsbeweis konvergenter Folgen . Wir erhalten ein mit für alle . Setzen wir , dann ist

für alle . Damit liegen alle Folgenglieder für im Intervall Somit sind alle Folgenglieder ab dem Index nach oben durch und nach unten durch beschränkt:

Vor liegen nur endlich viele Folgenglieder . Diese sind deswegen zwangsweise beschränkt. So sind sie nach oben durch und nach unten durch beschränkt. Wir haben:

Insgesamt ist die Folge damit nach oben durch und nach unten durch beschränkt.

Cauchy-Folgen mit konvergenten Teilfolgen konvergieren

Es folgt nun ein (Hilfs-)Satz, den wir später benötigen werden, um die Konvergenz einer (reellwertigen) Cauchy-Folge zu beweisen:

 
Definition

Cauchy-Folgen mit konvergenten Teilfolgen konvergieren
Jede Cauchy-Folge , die eine gegen konvergente Teilfolge besitzt, konvergiert gegen den Grenzwert der konvergenten Teilfolge.

Beweis:

Sei eine Cauchy-Folge und eine konvergente Teilfolge der Cauchy-Folge mit dem Grenzwert . Sei beliebig. Aus der CauchyEigenschaft folgt, dass es ein mit für alle gibt. Außerdem gibt es ein mit für alle . Sei eine beliebige natürliche ahl Sei beliebig. Es ist

Jede Cauchy-Folge konvergiert

Kommen wir nun zum eigentlichen Grund, warum es sich lohnt, CauchyFolgen zu studieren. Wir können nämlich zeigen, dass jede Cauchy-Folge konvergiert. Es gilt der Satz:

 
Definition

Cauchy-Folgen konvergieren
Sei eine Cauchy-Folge reeller Zahlen. Dann gibt es eine reelle Zahl , gegen die konvergiert.

Erklärung

Weil in der Definition einer Folge ihr Grenzwert keine Rolle spielt, können wir mit dem obigen Satz die Konvergenz einer Folge nachweisen, ohne deren Grenzwert kennen zu müssen. Dies ist insbesondere in Beweisen hilfreich, bei denen die zu betrachtende Folge so allgemein ist, dass wir ihren Grenzwert nicht kennen können.

Bevor wir uns mit dem Beweis beschäftigen, möchten wir dir noch zeigen, wie wichtig die Grundmenge ist. Nehme hierzu von die Folge der endlichen Dezimalbrüche:

Diese Folge konvergiert gegen und ist damit nach dem Satz aus dem vorherigem Abschnitt eine Cauchy-Folge. Gehen wir nun davon aus, dass unsere Grundmenge und nicht ist. Wir gehen also davon aus, dass es nur rationale Zahlen gibt. Obige Folge besteht nur aus rationalen Zahlen und ist damit eine valide Folge in unserer neuen Grundmenge. Sie ist auch in der neuen Grundmenge eine Cauchy-Folge (der Abstand der Folgenglieder untereinander hat sich beim Ändern der Grundmenge nicht geändert). Jedoch konvergiert obige Folge nicht mehr. Beim Ändern der Grundmenge haben wir nämlich den Grenzwert der Folge entfernt, weil dieser Grenzwert irrational ist. In unserer neuen Grundmenge gibt es keine Zahl, gegen die die Folge konvergiert. Durch das Ändern der Grundmenge wurde die Folge damit divergent.

Wir sehen, wie wichtig die Grundmenge für den obigen Satz ist. Wir sehen auch, dass wir im Beweis die Vollständigkeit von benutzen müssen, denn das Vollständigkeitsaxiom ist das einzige Axiom, was von unterscheidet. Wenn wir die Vollständigkeit nicht benutzen würden, dann müsste der Satz auch in gelten, was er ja nicht tut. Das Vollständigkeitsaxiom werden wir in Form des Satzes von Bolzano-Weierstraß verwenden. In dem Beweis dieses Satzes hatten wir das Vollständigkeitsaxiom bereits verwendet.

Beweis

Sei eine Cauchyfolge. Wir hatten in diesem Kapitel bereits bewiesen, dass diese Folge beschränkt ist. Nach dem Satz von BolzanoWeierstraß muss damit eine konvergente Teilfolge besitzen. Eine Cauchyfolge mit einer konvergenten Teilfolge konvergiert nach dem obigen Satz.

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